„Sonntagskind“ Rummenigge braucht das Stadion
München (dpa) - Karl-Heinz Rummenigge ist dann mal weg. Der Chef des FC Bayern München entzieht sich am 60. Geburtstag einem Ansturm der Gratulanten.
Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer (70) wurde zum Sechzigsten mit einer von Thomas Gottschalk und Günther Jauch moderierten TV-Gala gefeiert. Und für den später tief gefallenen Patriarchen Uli Hoeneß (63) richtete der Rekordmeister vor drei Jahren ein pompöses Fest aus. Rummenigge will seinen Ehrentag dagegen am 25. September ganz entspannt im Kreise der Familie genießen.
Der Vater von fünf Kindern begründet seine Partypläne mit jenem ostwestfälischen Humor, den er auch nach vier Jahrzehnten in Bayern beibehalten hat: „Ich bin kein Freund der ganz großen Feierlichkeiten. Ich habe immer gesagt: Mehr gelogen wird eigentlich nur auf Beerdigungen - und das brauche ich dann irgendwie nicht.“
Der Fußball und der FC Bayern haben sein Leben geprägt. In der ersten Karriere als Spieler schoss Rummenigge wie heute Robert Lewandowski Tore am Fließband. In der zweiten Karriere als Vorstandsvorsitzender ist er maßgeblich daran beteiligt, dass aus einem Verein, der seine bayerischen Wurzeln pflegt („Mia san mia“) ein Global Player geworden ist, auf Augenhöhe mit Real Madrid und dem FC Barcelona.
Als 19 Jahre alter Jungprofi spielte er für 8000 Mark Monatsgehalt. Heute setzt die FC Bayern AG über eine halbe Milliarde Euro im Jahr um, die Spieler kassieren Millionengehälter. „Fußball ist heute nicht nur Sport. Fußball ist auch Big Business“, sagt Rummenigge im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur zu seinem Geburtstag.
Noch einmal 20 Jahre jung zu sein, könnte auch Rummenigge gefallen. „Die Zeit als Spieler war die schönste. Das Erlebnis, vor 70 000 Menschen ein Tor zu schießen, ist durch nichts zu toppen“, bekennt der einstige Weltklassestürmer. 162 Tore erzielte Rummenigge in 310 Bundesligaspielen, 45 waren es in 95 Länderspielen.
Als Spieler hat er fast alles gewonnen. Er war Europameister, Europapokalsieger, deutscher Meister, Pokalsieger. Nur die Krönung blieb dem langjährigen Kapitän der deutschen Nationalmannschaft versagt. „Uli Hoeneß sagt immer zu mir: 'Kalle, du kannst machen, was du willst, ich bin mindestens einmal mehr Weltmeister geworden als du'.“ Zwei WM-Endspiele verlor er, 1982 gegen Italien (1:3), 1986 gegen Argentinien. „Ich glaube nach wie vor, wenn wir in die Verlängerung gegangen wären, hätten wir gewonnen“, erinnert Rummenigge an die ärgerliche 2:3-Niederlage in Mexiko.
Trotzdem sei er ein „Sonntagskind“. Das Leben meinte es gut mit dem einstigen Banklehrling. Nach der Spieler-Laufbahn, die im Ausland bei Inter Mailand und Servette Genf ausklang, startete er beim FC Bayern 1991 als Vizepräsident in die zweite Karriere. Wie schon als Spieler konnte er nochmals im „Windschatten“ von Beckenbauer und Hoeneß reifen. Rummenigge übernahm in der Bayern-Troika frühzeitig die Rolle eines Außenministers. Seit 2008 führt er die Europäische Clubvereinigung ECA an. Das Trikot hat er mit dem Anzug getauscht, seine Erfolge sind jetzt Multimillionen-Deals mit Konzernen wie Adidas, Allianz, Audi oder Telekom. Aber das ist kein Ersatz für das Adrenalin beim Spiel: „Die Emotionen im Stadion brauche ich.“
Mit 34, als er das professionelle Toreschießen einstellte, habe ihn auch der Trainerjob gereizt. Als junger Familienvater mochte er aber nicht „wie ein Nomade durch die Gegend ziehen“. Zum Glück für den FC Bayern: Seit der Verurteilung von Hoeneß wegen Steuerhinterziehung ist Rummenigge als Nummer 1 im Verein noch mehr gefordert. Als einen der „mächtigsten Männer im europäischen Fußball“ bezeichnete ihn sein Freund Hoeneß im „Kicker“. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach schätzt an Rummenigge dessen „Professionalität, Seriosität und Kompetenz“.
Rummenigge ist im harten Fußballgeschäft kein Romantiker und Bauchmensch, sondern ein Netzwerker und Pragmatiker. Die Fans wünschen sich urbayerische Eigengewächse wie Thomas Müller im Bayern-Trikot. Aber die Welt habe sich verändert, kontert Rummenigge: „Fußball ist Emotionalität, aber man muss sie mit der Rationalität, die vom Management verlangt wird, vereinen.“ Dazu gehört für ihn auch, eine Vereins-Ikone wie Bastian Schweinsteiger am Ende der Karriere zu Manchester United ziehen zu lassen.
Mit Stolz erfüllt Rummenigge, den FC Bayern - nicht zuletzt mit hohem Geldeinsatz - in Europas Spitze etabliert zu haben. Und als Laudator dient ihm ausgerechnet sein Dortmunder Widerpart. „Hans-Joachim Watzke hat vor kurzem gesagt, Bayern München sei jetzt mit dem FC Barcelona und Real Madrid in der Topclass in Europa. Das habe er nicht für möglich gehalten“, erzählt Rummenigge: „Das ist das Größte, was wir alle bei Bayern München in den letzten 20 Jahren bewerkstelligt haben, dass wir mit Barcelona und Madrid in einem Atemzug genannt werden. Das ist eine Auszeichnung, die mehr wert ist als jeder Orden, den man sich an die Brust heften darf.“
Fußball ist schnelllebig. Die Herausforderungen für den Triple-Sieger von 2013 reißen nicht ab. Von Amtsmüdigkeit ist bei Rummenigge nichts zu spüren. Seit 2002 führt er den Vorstand an. Sein Vertrag läuft Ende 2016 aus. „Es wäre schön, wenn er sich bereiterklärt, noch mal weiterzumachen“, sagt Präsident und Aufsichtsratschef Karl Hopfner. Er blicke nicht mehr weit voraus, sagt Rummenigge. Ohnehin lautet sein Credo: „Jeder ist ersetzbar! Ich mag gar nicht wissen, was in einem oder zwei Jahren los ist. Ich versuche, den Tag zu genießen.“