Späte Pein: Nur die Fans von Werder sind erstliga-reif
Bremen (dpa) - Auf der Tribüne des Weser-Stadions saßen die Meisterschafts-Helden der Generation '88 als moralische Unterstützung. Auf dem Rasen erinnerte die Generation '13 in nichts an die einst glanzvollen grün-weißen Werder-Zeiten.
Mit leeren Blicken stapften die Bremer Fußball-Profis nach dem 2:2 (2:0) gegen die TSG 1899 Hoffenheim in die Kabine. Fassungslos über den späten Ausgleich der Gäste waren etliche Werder-Spieler zu Boden gesackt, ehe sie sich enttäuscht zu den Duschen schleppten. „Dieser Ausgleich tut sehr weh“, gab Innenverteidiger Sebastian Prödl zu. „Für mich ist das schwer zu glauben.“
Mit den späten Treffern von Sven Schipplock (85., 90+1.) endete ein höchst emotionaler Bundesliga-Nachmittag, bei dem die Bremer Fans für eine ungewöhnliche Gänsehaut-Atmosphäre gesorgt hatten. Auch nach dem verschenkten Sieg gegen den Vorletzten der Tabelle pfiffen die Zuschauer nicht. Vielmehr feuerten viele Anhänger ihre Lieblinge noch auf deren Weg in die Katakomben an.
„Unsere Fans sind champions-league-reif“, fasste Stürmer Nils Petersen treffend zusammen. „Wir waren nur 85 Minuten bundesliga-tauglich.“ Trotz der frühen Führung durch Aaron Hunt (2./Foulelfmeter) und Kevin de Bruyne (24.) gelang Werder auch im elften Versuch kein Sieg. Das Zittern geht weiter.
„Nach dem Abpfiff haben sie uns, trotz der Enttäuschung, noch vorne getrieben“, kommentierte Prödl verwundert. Die Aufmunterung tröstete aber nur wenig. „Ich bin einfach nur down und total leer“, sagte Torwart Sebastian Mielitz, der bis zur Schlussphase wenig zu tun hatte und einmal mehr von seiner tapsigen Abwehr in Stich gelassen wurde.
Wie konnte das nur passieren? „Vielleicht haben wir zu früh gedacht, dass wir gewonnen haben“, vermutete Prödl. „Wir waren uns vielleicht zu sicher.“ Der eingewechselte Schipplock nutzte das gnadenlos aus und wahrte so die kleine Chance der Hoffenheimer auf den Klassenverbleib.
Die Bremer begeisterten ihren Anhang allein durch ihr leidenschaftliches Auftreten. Spielerisch waren sie nicht in der Lage, die vielen Kontermöglichkeiten zu nutzen. „Wir haben es verpasst, das dritte Tor zu machen“, kommentierte Trainer Thomas Schaaf und zeigte Verständnis: „Es ist schwierig, nach dem Laufpensum ruhig zu bleiben.“
Neben einer unnötigen Schiedsrichterschelte gab es von Schaaf vor allem Lob für das Publikum, das schon vor dem Spiel für eine ungewöhnliche Stimmung gesorgt hatte. „Das, was wir erlebt haben, das ist einzigartig. Das ist außergewöhnlich“, schwärmte der vor wenigen Wochen noch umstrittene Coach - selbst Mitglied der Meister-Mannschaft von 1988.
Die Atmosphäre in Bremen hat sich deutlich gewandelt. Nach den Unmutsbekundungen der Vorwochen und den vereinzelten Forderungen „Schaaf raus“ unterstützten alle den Zweiten der ewigen Bundesliga-Tabelle, der so nahe am Abgrund steht wie zuletzt bei Schaafs Dienstbeginn vor 14 Jahren.
Es ist offensichtlich weniger das Vertrauen in die sportliche Leistungsfähigkeit, sondern eher in das Publikum, dass die Hoffnung auf ein Happy End an der Weser erhält. Zumindest setzte Petersen, wie er im Sky-Interview sagte, auch im nächsten Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt auf die gleiche Stimmung auf den Rängen: „Dann ist mir nicht bange, dass wir nächste Woche einen Schlussstrich unter diese Scheiß-Situation ziehen können.“