Krise verschärft 2:2 - Hertha schockt Bayern und Interimscoach Sagnol
Berlin (dpa) - Präsident Uli Hoeneß schaute mit zusammengepressten Lippen missmutig in den trüben Berliner Himmel, die Profis des FC Bayern stürmten wortlos in die Kabine.
Trotz der Rückkehr aller Topstars im Spiel eins nach der Trennung von Carlo Ancelotti hat sich die Krise der Münchner durch das 2:2 (1:0) bei Hertha BSC weiter verschärft. Mit Willy Sagnol als Interimstrainer vergab der Rekordmeister eine 2:0-Führung und verpasste den dringend benötigen Stimmungsaufheller vor der Länderspielpause.
„Ohne Konzentration sind wir nicht mehr die stärkste Mannschaft in Deutschland, das ist klar“, analysierte Sagnol den defensiv konfusen Auftritt seines Teams. Die Nachlässigkeiten habe das Team „schwer bezahlt“. Der Auftritt vor 71 212 Zuschauern war dabei keine Werbung für eine dauerhafte Chefrolle von Sagnol. Die Diskussion um Thomas Tuchel als möglichen Nachfolger dürfte weiter an Fahrt aufnehmen.
Der von Ancelotti zuletzt verschmähte Mats Hummels (10. Minute) und Robert Lewandowski (49.) sorgten für das standesgemäße 2:0 der Münchner. Ondrej Duda (51.) und Salomon Kalou (56.) nutzten jedoch die Patzer der Bayern-Verteidigung und ließen die Berliner sogar auf den ersten Sieg seit mehr als acht Jahren gegen München hoffen. „Wir haben gespürt, dass Bayern heute zu schlagen ist. Wenn überhaupt, dann heute“, sagte Hertha-Coach Pal Dardai.
Neben der Enttäuschung über den erneuten sportlichen Rückschlag müssen die Bayern womöglich länger auf Franck Ribéry verzichten - nach Angaben von Sagnol besteht bei dem Franzose der Verdacht auf einen Außenbandanriss im linken Knie. Als einziger Spieler äußerte sich Thomas Müller in der Mixedzone vor der Abfahrt - und nahm sich und seine Teamkollegen in die Pflicht. „Bei der Qualität, die wir im Kader haben, kann die Schuld nicht an einem Trainer liegen“, betonte der Nationalspieler. „Wir Spieler müssen eine harte Analyse bei uns selbst machen.“
Nach dem dritten Pflichtspiel ohne Sieg in Serie liegen die Bayern nun bereits fünf Punkte hinter Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund. „Wir hatten das Spiel eigentlich unter Kontrolle, hätten höher führen müssen“, sagte Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic. „Dann haben wir das Spiel aus der Hand gegeben, das darf einer Mannschaft wie wir es sind nicht passieren.“
Im schicken dunkelblauen Anzug dirigierte Sagnol sein Team - ob er noch die Chance für eine weitere Bewährungsprobe in der Partie gegen den SC Freiburg in knapp zwei Wochen bekommt, ließ Salihamidzic vor Anpfiff noch offen. „Wir werden uns alle Zeit lassen, uns in Ruhe beraten und dann zusammen entscheiden im Sinne des FC Bayern“, sagte der Sportdirektor bei Sky. Sagnol gab sich auf die Frage, ob er den Wunsch hat weiterzumachen, keinen Illusionen hin: „Die Frage ist, was der Vorstand will. Entscheidung und Tempo liegt beim Vorstand - und nicht bei mir.“
Nach dem misslungenen Aufstellungspoker von Ancelotti bei der 0:3-Demütigung bei Paris Saint-Germain setzte Sagnol auf alle zuletzt fehlenden Stars. Das Weltmeister-Duo Jérôme Boateng und Hummels stand wieder in der Innenverteidigung, Arjen Robben und Ribéry durften wieder als Flügelzange agieren.
Nach einer druckvollen Anfangsphase entsprang auch die verdiente frühe Bayern-Führung einer Kombination der Profis, die Ancelotti laut Präsident Uli Hoeneß gegen sich aufgebracht hatte. Robben legte zurück auf Boateng, dessen Flanke verwertete Hummels per Kopf. Neben Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nickte Hoeneß auf der Tribüne zufrieden. Lewandowski erhöhte kurz nach der Pause.
Doch nur mit dem Trainerwechsel haben sich längst nicht alle Probleme der Münchner aufgelöst. Die Verteidigung präsentierte sich äußerst wacklig - was Hertha eiskalt ausnutzte.