Historischer Einbruch BVB-Coach Bosz nach 4:4 gegen Schalke in Not
Dortmund (dpa) - Selbst die treuesten Fans auf der Südtribüne verweigerten die Gefolgschaft. Als sich die Profis von Borussia Dortmund nach dem spektakulären 4:4 (4:0) im Revierderby gegen den FC Schalke auf dem Weg Richtung Gelbe Wand begaben, schlug ihnen einen lautes Pfeifkonzert entgegen.
Der historische Einbruch des Teams, das selbst eine komfortable 4:0-Pausenführung leichtfertig verspielte, versetzte den Anhang in Aufruhr. Ähnlich niedergeschlagen wie Fans und Spieler wirkte Trainer Peter Bosz: „Man fühlt im Körper nur Enttäuschung“, klagte der Coach, „das darf nicht passieren. Es ist schwer, das zu verkraften.“
Die Geduld des Anhangs mit dem Team ist nach zuletzt nur einem Sieg in zehn Spielen endgültig aufgebraucht. Mittelfeldspieler Nuri Sahin äußerte Verständnis für die wütenden Reaktionen: „Die Pfiffe waren absolut berechtigt. Die Fans haben in den vergangenen Wochen die Füße still gehalten und uns immer unterstützt.“
Das Spiel gegen Schalke war ein Spiegelbild des bisherigen Saisonverlaufs mit dem besten Start der Vereinsgeschichte und einer denkwürdigen Talfahrt. Nach einem beeindruckenden Sturmlauf und den Toren von Pierre-Emerick Aubameyang (12.), Benjamin Stambouli (18./Eigentor), Mario Götze (20.) und Raphael Guerreiro (25.) sah der BVB im Duell mit dem Erzrivalen wie der sichere Sieger aus. Der erste Sieg nach zuvor fünf Spielen ohne Erfolg in der Bundesliga schien nur noch Formsache. „Die haben uns an die Wand gespielt“, bekannte Schalke-Trainer Domenico Tedesco, „da ist es nicht einfach, dagegen zu halten.“
Doch zum wiederholten Male brach der BVB in der 2. Halbzeit völlig ein und bestärkte damit all jene Kritiker, die seit Wochen an der Fitness der Profis und damit an der Arbeit von Bosz zweifeln. Deshalb dürften die Diskussion um die Zukunft des Fußball-Lehrer in den kommenden Tagen zunehmen. Der Niederländer gab sich kämpferisch: „Ich werde nie aufgeben. Das habe ich schon als Profi nicht getan und werde es auch als Trainer nicht tun.“
Anders als die Dortmunder werteten die Schalker das Remis wie einen Sieg. „Wir haben gewonnen“, schwärmte Nationalspieler Leon Goretzka in erster Euphorie. Erst zum zweiten Mal seit dem FC Bayern 1976 in Bochum gelang es einem Team, ein 0:4 aufzuholen. Begünstigt durch den Platzverweis von Aubameyang in der 72. Minute gelang den Schalkern ein kleines Fußball-Wunder. Guido Burgstaller (61.), Amine Harit (65.), Daniel Caliguiri (86.) und Naldo (90.+4) versetzten ihre Fans in Begeisterung. „Ich habe in der Halbzeit niemals daran geglaubt und den 4. Offiziellen bereits nach 25 Minuten gefragt, ob wir heute nur 70 Minuten spielen dürfen“, kommentierte Coach Tedesco. Ähnlich euphorisiert war Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies: „Das war mein 50. Derby - und mein verrücktestes.“
Auch nach dem Schlusspfiff schlugen die Emotionen hoch. Die Idee der Schalker Ralf Fährmann und Leon Goretzka, die erfolgreiche Aufholjagd ausgerechnet vor der mit BVB-Fans besetzten Südtribüne zu feiern, erzürnte Nuri Sahin über die Maßen. Es kam zu einer Rangelei des Dortmunder Mittelfeldspielers mit dem Schalker Torhüter und einer anschließenden Rudelbildung. Als sich die Aufregung Minuten später gelegt hatte, zeigte sich Fährmann in einem Sky-Interview reumütig: „Das darf nie passieren. Dafür will ich mich entschuldigen.“