BVB gewinnt Topspiel nach Eklat um Bayer-Coach mit 1:0
Leverkusen (dpa) - Borussia Dortmund hat das von einem Eklat überschattete Bundesliga-Spitzenspiel bei Bayer Leverkusen 1:0 (0:0) gewonnen und Platz zwei zementiert.
Bayer-Cheftrainer Roger Schmidt hatte sich hitzige Wortgefechte mit dem vierten Unparteiischen an der Seitenlinie geliefert und wollte nach dem Siegtor von Pierre-Emerick Aubameyang (64. Minute) nicht auf die Tribüne gehen. Daraufhin unterbrach Schiedsrichter Felix Zwayer die Partie für fast zehn Minuten und schickte die Teams in die Kabine. „So ein Spiel zu unterbrechen und so eine Hektik reinzubringen, ist völlig unnötig“, sagte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler. „Ich weiß nicht, ob Schiedsrichter Felix Zwayer jetzt gesperrt wird. Ich kann es mir nicht vorstellen“, schimpfte Völler noch in den Katakomben voller Sarkasmus.
„Ich verlange von Herrn Zwayer, dass er das unserem Trainer erklärt.“ Stattdessen habe der Schiedsrichter Leverkusen einen klaren Handelfmeter verweigert, echauffierte sich Völler weiter. Stefan Kießling, der Schmidt die Zwayer-Anweisung überbringen sollte, sagte: „Ich möchte das gar nicht groß kommentieren. Es war insgesamt eine Scheiß-Situation und unnötig. Er hätte auch hingehen und ihm das sagen könnten.“
Leverkusens Coach Schmidt rechtfertigte unterdessen sein Verhalten, entschuldigte sich aber auch für die Eskalation. „Ich habe zu lange gezögert, zu gehen. Es war ein Fehler von mir. Ich bin zu stur gewesen“, bekannte er. Aber er habe nicht verstehen können, warum der Referee ihm nur „aus 45 Metern“ signalisiert habe, auf die Tribüne zu gehen. „Ich wollte eine Erklärung“, meinte Schmidt, der mit einer saftigen Strafe durch das DFB-Sportgericht rechnen muss. „Als Trainer lebe ich für Fußball und setzte mich für Gerechtigkeit ein.“
Dortmunds Kapitän Mats Hummels berichtete aus der Kabine: „Es war relativ relaxt.“ Dass der Freistoß vor dem 1:0-Siegtreffer zu weit vom eigentlichen Tatort ausgeführt wurde, wie von Bayer moniert, sei in der Bundesliga aber nichts ungewöhnliches. Er zeigte aber wenig Verständnis für Schmidts Verhalten: „Man kann sich als Schiedsrichter nicht gegenüber allen rechtfertigen und erklären.“ Wichtiger als der ganze Aufruhr war ihm aber der Sieg. „Wenn wir uns nicht ganze dämlich anstellen, dürften wir Platz zwei sicher haben“, meinte er. Der Abstand zu Bayer beträgt nun 16 Punkte.
Weiteren Ärger löste nach dem Wiederanpfiff eine Szene in der 70. Minute aus, in der BVB-Spieler Sokratis den Ball im eigenen Strafraum mit dem Arm ins Toraus beförderte. „Wenn er den Elfmeter nicht pfeift, dann vielleicht auch, weil ich zu emotional war“, meinte Schmidt. „Wir hätten uns nicht beklagen können, wenn der Handelfmeter gegeben worden wäre“, gab BVB-Kapitän Hummels zu.
Neben dem drohenden Nachspiel vor dem DFB-Sportgericht konnte Bayer 04 einmal mehr nicht als Sieger vom Platz gehen. Seit dem 2:1 vom 19. Mai 2007 gelang gegen den Westnachbarn kein Erfolg. Der BVB vergrößerte in der mit 30 210 Zuschauern ausverkauften BayArena den Abstand zum Werksclub auf 16 Punkte und liegt weiter acht Zähler hinter dem FC Bayern. Leverkusen rutschte von Platz drei.
Für eine Überraschung sorgte BVB-Chefcoach Thomas Tuchel vor dem Anpfiff mit einer umfangreichen Spieler-Rotation. Im Vergleich zum Europa-League-Spiel gegen den FC Porto (2:0) änderte er die Startelf auf fünf Positionen. Er ließ Marco Reus, Marcel Schmelzer auf der Bank und nominierte Gonzalo Castro nicht für den Kader. Für den einstigen Bayer-Profi ein Affront: Es wäre seine erste Rückkehr zum Ex-Club gewesen, bei dem er 16 Jahre spielte. Bei Leverkusen kehrte Torjäger Javier „Chicharito“ zurück, passen musste Spielmacher Hakan Calhanoglu (Zehenentzündung).
Die Top-Partie hatte lange wenig Klasse, viele Szenen spielten sich im Mittelfeld ab, wo die Gastgeber engagiert attackierten und nach den Europacup-Einsatz drei Tage zuvor bei Sporting Lissabon (1:0) konzentrierter wirkten. Die neu formierte BVB-Elf konnte dem nicht viel entgegensetzen; durchdachte Spielzüge gab es wenige.
„Vom Spiel her kann man sicherlich etwas enttäuscht sein, beide Mannschaften können mehr“, lautete der Halbzeit-Kommentar von Bundestrainer Joachim Löw bei Sky. Angetan war er hingegen von Bayer-Innenverteidiger Jonathan Tah, der sich mit seiner Leistung einmal mehr für die Nationalmannschaft empfahl: „Er ist ein Spieler mit viel Potenzial und macht einen sehr konzentrierten, aufmerksamen Eindruck“, lobte Löw.
Auch EM-Kandidat Bernd Leno dürfte bei ihm einen guten Eindruck hinterlassen haben. Eine Nachlässigkeit des Bayer-Keepers in der 7. Minute, als Henrich Mchitarjan vor dem Tor den Ball abluchste, machte dieser wenig später wieder gut: Weit vor dem Strafraum klärte er gegen den heranstürmenden Aubameyang in höchster Not. In der zweiten Hälfte wurde die Partie schwungvoller. Die die Einwechslung von Nationalspieler Marco Reus zahlte sich aus: Er initiierte mit seinem Pass auf Erik Durm, der zu Aubameyang weiterleite das 1:0.
Nach dem Führungstreffer kam es dann zum Eklat. Weil Leverkusens Trainer Roger Schmidt, der sich einige erregte Debatten mit dem fünften Mann an der Seitenlinie geliefert hatte, auf Anordnung von Zwayer nicht auf die Tribüne gehen wollte, unterbrach der Berliner Schiedsrichter. Danach hatte Reus kurz vor Schluss das 2:0 auf dem Fuß, Leno rettete erneut. In der Nachspielzeit vergab Chicharito das Leverkusener 1:1.
Spieldaten:
Ballbesitz in %: 50,9 - 49,1
Torschüsse: 9 - 7
gew. Zweikämpfe in %: 47,1 - 52,9
Fouls: 20 - 10
Ecken: 8 - 1
Quelle: optasports.com