Täglich ans Limit: Heynckes schmeichelt das Werben
London (dpa) - Nein, wie ein angehender Fußball-Rentner wirkte Jupp Heynckes auch in London nicht. Mit bald 68 Jahren betreibt der ehemalige Weltklassestürmer seinen Beruf immer noch mit Hingabe, zur „lahmen Ente“ ist er beim FC Bayern trotz des verkündeten Abschieds im Sommer nicht geworden.
Besonders seine letzten Auftritte auf der internationalen Bühne kostet der Vollblut-Trainer aus. „Wir sind extrem hungrig auf solche Abende“, sagte Bastian Schweinsteiger vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League beim FC Arsenal - der Satz hätte auch von Jupp Heynckes stammen können.
Der Trainer-Senior der Bundesliga befindet sich beim deutschen Rekordmeister auf seiner Abschiedstour. Im Sommer übernimmt Pep Guardiola, und Heynckes möchte dem spanischen Wundertrainer ein möglichst großes Erbe hinterlassen. „Ich war und bin immer sehr ambitioniert“, erklärte Heynckes, der 1998 als Trainer von Real Madrid mit dem Gewinn der Champions League seinen bislang größten Triumph feierte. Drei Trophäen kann er mit dem FC Bayern in seiner letzten Saison noch gewinnen, der Meistertitel ist ihm praktisch schon sicher. „Ich wünsche Jupp Heynckes, dass er viele Titel gewinnt“, sagte Kapitän Philipp Lahm während der London-Reise.
Einen glanzvollen Abschied, das wollen Franck Ribéry & Co. ihrem Chef zum erwarteten Karriereende bereiten. Diese Mission treibt auch Heynckes an, rund um die Uhr. „Du gehst beim FC Bayern jeden Tag ans Limit“, hat er jüngst verkündet: „Das kostet auch Substanz.“
Ein weiteres Jahr beim FC Bayern hätte Heynckes wohl noch drangehangen, wie sein Freund und Bayern-Präsident Uli Hoeneß verriet. Ein anderer Anschluss-Job aber steht nicht mehr im Lebensplan des gebürtigen Mönchengladbachers, der „quickfidel“ wirkt, wie Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge hervorhob: „Jupp Heynckes macht einen Super-Job bei Bayern München.“
Das wird natürlich registriert in der Szene. Und darum ist es keine Überraschung, dass Heynckes zum Spekulationsobjekt wird, ob beim FC Schalke 04 oder sonstwo. „Ich kann ja nicht verhindern, wenn in dem einen oder anderen Club, wenn es um die Trainerposition für die neue Saison geht, mein Name gehandelt wird“, sagte Heynckes in London zu den angeblichen Überlegungen auf Schalke, wo er schon einmal tätig war, aber 2004 entlassen wurde und im Ärger schied.
Die „sehr gute Arbeit“ von ihm gemeinsam mit seinem Trainerteam und der Münchner Mannschaft könnte bei einigen Clubs „solch ein Wunschdenken“ auslösen, ihn verpflichten zu wollen. Heynckes schmeichelt das Interesse, auch wenn er es „ganz relaxed“ zur Kenntnis nehme, „nüchtern und sachlich“.
Er kokettiert durchaus damit, sein vom FC Bayern bei der Guardiola-Verpflichtung vorschnell angekündigtes Karriereende im Sommer persönlich im Ungewissen zu halten. „Ich möchte den Zeitpunkt benennen, wann ich aufhöre und das selbst verkünden“, stellte er unmissverständlich klar. In London sagte er nun, er werde „frühestens“ am Saisonende oder „spätestens, wenn ich mich zurückgezogen habe, Einiges zu meiner persönlichen Situation äußern“. Solange darf munter weiter spekuliert werden.
Nach der bitteren Vorsaison mit den zweiten Plätzen hinter Borussia Dortmund in Bundesliga und DFB-Pokal sowie der noch viel schmerzhafteren Niederlage im Champions-League-Heimfinale gegen den FC Chelsea giert Heynckes geradezu nach Erfolg und Anerkennung. Dass Arsenal-Coach Arsène Wenger vor dem Duell am Dienstagabend kundtat, er habe früher den Fußballer Heynckes bewundert, erfüllte ihn mit Stolz. „Wenn ein hochqualifizierter Kollege wie Arsène Wenger das äußert, nimmt man das sehr gerne zur Kenntnis“, sagte Heynckes.
In der Königsklasse und im Pokal, in dem es kommende Woche zum großen Viertelfinal-Duell mit Titelverteidiger Dortmund kommt, wird sich letztlich entscheiden, wie groß das Heynckes-Denkmal in München ausfallen wird. Jeder Titelgewinn über die Meisterschaft hinaus würde den Übertritt von Heynckes in den Ruhestand ruhmreicher machen - und das Werben um den Coach wohl forcieren. Dem angeblichen Interessenten Schalke gibt Heynckes-Freund Hoeneß dabei aber keine Chance: „Das ist wohl ein kleiner Aprilscherz.“