Tore künftig zweifelsfrei - Ruf nach Videobeweis spaltet
Stuttgart (dpa) - Die Torlinientechnologie ist eine Erleichterung. Darin sind sich die allermeisten Bundesliga-Vereine vor der Premieren-Saison mit dem „HawkEye“ inzwischen einig.
Nur: Ob das kamerabasierte System Anfang einer Welle technischer Hilfsmittel oder schon Höhepunkt der Entwicklung sein sollte - da gehen die Meinungen auseinander. „Ein Tor ist eine finale Entscheidung - und diese Entscheidung sollte zu Recht getroffen werden. Ich bin aber absolut gegen Videobeweise“, betonte etwa Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Für Klaus Allofs dagegen darf es gerne weitergehen. Das Falkenauge, wie „HawkEye“ auf Deutsch heißt, müsse „der erste Schritt hin zu weiteren technischen Hilfsmitteln wie zum Beispiel dem Videobeweis sein. Wir dürfen uns diesen Weiterentwicklungen generell nicht verschließen“, forderte der Manager des VfL Wolfsburg und bekam dabei Unterstützung aus Ingolstadt. „Es ist höchste Zeit, nicht nur wegen der Gerechtigkeit, sondern um endlich einmal die Schiedsrichter zu unterstützen. Und das wäre technisch auch noch in vielen anderen Bereichen möglich“, meinte Aufsteiger-Coach Ralph Hasenhüttl.
Michael Frontzeck ist zwar ein Freund der Torlinientechnologie, die in England schon seit vergangenem Jahr und in Italien und Frankreich auch von dieser Saison an genutzt wird. Mehr Technik rund um den Platz will der Trainer von Hannover 96 dagegen nicht. „Ob ein Tor erzielt wurde, ist die zentrale Frage des Spiels. Wenn wir künftig klare Antworten erhalten, ist das hilfreich“, sagte er. „Ich kann mich aber nicht damit anfreunden, dass irgendwann einmal das Spiel dauernd unterbrochen wird, um Video zu gucken und jede Entscheidung zu korrigieren. Das kann niemand wollen. Emotionalität und unterschiedliche Meinungen gehören zum Fußball.“
Diskussionen wie während und nach dem DFB-Pokalfinale zwischen den Bayern München und Borussia Dortmund vor zwei Jahren wird es in der Bundesliga zukünftig jedenfalls nicht mehr geben können. Die insgesamt 14 Kameras in jedem Bundesliga-Stadion hätten besser als jedes veröffentlichte Foto - und binnen Sekunden - klären können, ob Mats Hummels' Kopfball von Dante damals vor oder hinter der Linie weggeschlagen worden war.
Max Eberl ist deswegen ein klarer Befürworter des aus Großbritannien stammenden Systems, das im Tennis schon lange genutzt wird und auch schon bei Olympischen Spielen zum Einsatz kam. „Auf die Diskussion um zweifelhafte Entscheidungen auf Kosten der Schiedsrichter können wir gut verzichten“, sagte der Sportchef des Champions-League-Teilnehmers aus Mönchengladbach. „Wir bei Borussia sind klare Verfechter dieser Technologie und haben auch für ihre Einführung abgestimmt.“
Das können längst nicht alle Clubs behaupten. Noch im März 2014 lehnten 25 der 36 Profivereine aus den ersten drei Ligen die Einführung ab. Dann aber gab es besagtes Pokalfinale, einen neuen Antrag und im Dezember des vergangenen Jahres eine zweite Abstimmung nur unter den 18 Bundesligisten. Mit mehr Informationen, etwa über die Kosten von nach DFL-Angaben weniger als 8000 Euro pro Spiel, stimmten nun 15 Vereine dafür. Sehr zur Freude der Schiedsrichter.
Felix Brych erklärte schon am Tag der Entscheidung: „Ich bin sehr froh, dass der Wunsch der Schiedsrichter erfüllt worden ist. Die Torlinientechnik wird uns Schiedsrichtern den Job erleichtern.“ Schon bei der WM hatte er mit dem von der FIFA genutzten „GoalControl“ Erfahrungen gesammelt. Beim Produkt eines deutschen Herstellers erlaubt der Weltverband eine Toleranz von 1,5 Zentimetern. „HawkEye“ soll auf weniger als einen Zentimeter genau arbeiten - und wartet inzwischen in allen Bundesliga-Stadien auf die Nutzung.
So funktioniert die Torlinientechnologie:
„HawkEye“ arbeitet in den Stadien mit insgesamt sieben Kameras für jedes Tor. Die sechs Messkameras bestimmen die Position des Balles. Die siebte, eine Hochgeschwindigkeitskamera auf Höhe der Torlinie mit hoher Auflösung, versorgt die TV-Stationen und Zuschauer im Stadion mit dem Beweisbild im Anschluss an eine knifflige Szene.
Ist der Ball vollständig über der Linie, sendet das System binnen einer Sekunde ein Signal an den Schiedsrichter. Die Uhr am Handgelenk vibriert dann und zeigt auf dem Display „Goal“ an. Zudem bekommen die Unparteiischen einen akustischen Hinweis auf ihr Headset. Das System betreuen zwei Operatoren. Rollt etwa ein zweiter Ball aufs Spielfeld, helfen sie der Technik bei der Entscheidung, welches davon das eigentliche Spielgerät ist. Zudem sind die zwei Personen jederzeit erreichbar für den vierten Offiziellen.