Tränen am Ende der 14-jährigen Ära Schaaf
Bremen (dpa) - Sogar Tränen flossen nach dem überraschend schnellen Ende der fast unglaublichen Ära. Die Trennung von Trainer Thomas Schaaf war „ein Moment, der unter die Haut geht“, gab Werder Bremens Kapitän Clemens Fritz zu.
Und Stürmer Nils Petersen berichtete über den emotionalen Abschied von den Spielern des Fußball-Bundesligisten: „Das geht nicht spurlos an einem vorüber. Der ein oder andere Spieler hat eine Träne verdrückt.“
Auch die Profis hatten bei der Fahrt zum Weserstadion noch nicht geahnt, dass sich der frühere Vorzeige-Club nach mehr als 14 Jahren vom dienstältesten Trainer der Fußball-Bundesliga trennt - und spätestens damit wieder ein ganz normaler Verein geworden ist.
Schaaf zeigte sich auf einer Videobotschaft tief bewegt. „Wir haben gemeinsam unheimlich schöne Momente erlebt und Erfolge eingefahren, genauso aber auch schwierige Zeiten durchgemacht“, sagte der bedröppelt dreinschauende Schaaf mit belegter Stimme in dem Abschiedsgruß an die Fans. Ihnen dankte er für das „wunderschöne Gesicht“, mit dem sie Werder im Abstiegskampf unterstützt hätten.
„Für uns alle war es ein Stück weit überraschend“, gab Fritz zu, nachdem das bis vor kurzem noch Undenkbare tatsächlich passiert war. Schaaf hatte sich kurz zuvor von der Mannschaft verabschiedet, um dann still und unbeobachtet nach Hause zu fahren. „Dass das emotional war, ist klar“, berichtete der Kapitän vom letzten Treffen in der Kabine: „Er hat hier 14 Jahre gearbeitet, das ist eine lange Zeit.“
Für Bundesliga-Verhältnisse ist das sogar eine verdammt lange Zeit. Und den Rekord von Otto Rehhagel, der vom 2. April 1981 bis zum 30. Juni 1995 Werder-Coach war, wird Schaaf nun nicht mehr erreichen können. Und nach ihm wohl auch niemand.
Die Liga hat endgültig das von vielen gelobte Modell der Bremer Konstanz und Beständigkeit verloren. Nach dem Abgang von Manager Klaus Allofs zum VfL Wolfsburg im November und dem Schaaf-Aus muss der Fußball-Bundesligist nun ganz von vorne anfangen. „Ich habe Gedankenspiele, die ich aber nicht mitteilen werde“, sagte Thomas Eichin, der Allofs-Nachfolger als Manager: „Das wird wohl ausgesucht, so eine Entscheidung trifft man nicht so nebenbei.“
Der Verein habe die „Situation ausgenutzt, dass nicht jeder damit gerechnet hat“, erklärte Eichin zu dem unerwarteten Zeitpunkt. Und der kühl auftretende Sportchef betonte mehrfach, dass die Trennung „einvernehmlich“ war. „Dass Thomas Schaaf nicht zu uns kommt, um seinen Rücktritt anzukündigen, ist klar.“
Der redegewandte Sportdirektor sagte auf Nachfrage allerdings auch noch andere Sätze. „Letzten Endes muss die Geschäftsführung die Entscheidung treffen.“ Und: „Es war eine harte Entscheidung, aber es ist das Beste für Werder.“
Schaaf selbst hatte das Weserstadion längst verlassen, als ausgerechnet jener Mann das Ende der Zusammenarbeit verkündete, der im Winter nur dank der Zustimmung des Coaches in Bremen beginnen durfte.
Dass der Abgang des Trainers nicht freiwillig war, lässt sich auch daran erkennen, dass Schaaf nach dem letzten Gespräch mit der Geschäftsführung darauf bestand, beim letzten Saisonspiel am Sonntag in Nürnberg nicht mehr auf der Bank sitzen zu wollen. Die Co-Trainer Wolfgang Rolff und Matthias Hönerbach übernehmen bis zum Saisonende Schaafs Job. Was danach kommt, ist noch offen.
„Wir wollen einen Neuanfang“, betonte Eichin, der mit Schaaf bereits mit den Planungen für die kommende Saison begonnen hatte: „Das werden wir jetzt ein bisschen stoppen. Die meisten Personalien werden wir mit dem neuen Trainer besprechen.“
Der Allofs-Nachfolger ist nach nicht einmal halben Jahr in Bremen der neue starke Mann. Bei der öffentlichen Verkündung trat Eichin ohne Unterstützung von Klaus Filbry, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, vor die Kameras.
Der neue Coach, der nach Eichins Angaben „von außen“ kommen soll, wird es schwer haben. Schließlich hat Schaaf den Verein geprägt und mit Werder in 14 Jahren einmal die Meisterschaft und dreimal den Pokal gewonnen. Sechsmal spielte der Club in seiner Dienstzeit zudem in der Champions League. Insgesamt, so errechnete der Club, betreute Schaaf die Werder-Profis wettbewerbsübergreifend 644 mal.
Zuletzt verpasste der Verein allerdings dreimal einen internationalen Wettbewerb und spielte in dieser Saison bis zum vorletzten Spieltag gegen den Abstieg. Die Kritik an Schaaf wurde lauter, wenngleich die Mehrheit der Fans immer noch hinter dem Coach stand. „Thomas hat eine Menge durchgestanden, das hätte nicht jeder durchgestanden“, sagte Eichin.
Schaaf und Werder - das war lange Jahre fast ein Synonym. Der ehemalige Profi ist seit 1972 Mitglied des Clubs, spielte in allen Nachwuchsteams und schaffte es bis in die Bundesliga-Mannschaft. Anschließend arbeitete Schaaf als Trainer in der Jugend und bei der 2. Mannschaft, ehe er im Mai vor 14 Jahren als Nachfolger von Felix Magath die Profis übernahm und sie sofort zum Sieg im Pokalwettbewerb führte. Werder ohne Schaaf - diese Vorstellung fällt deshalb nicht nur Mannschaftskapitän Clemens Fritz schwer.