Trainerwechsel bei Schalke: Das Ende eines langen Irrtums

Typisch Schalke! Der Club sorgt nicht nur mit der Trennung von Jens Keller für eine Überraschung.

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Gelsenkirchen. Eigentlich sollte es in dieser Woche endlich mal wieder einmal ruhig zugehen beim FC Schalke 04. Die rekonvaleszenten Spieler sollten sich langsam wieder ins Training einfinden, die einsatzfähigen Profis an ihrer Form arbeiten, um gestärkt aus der Länderspielpause zu gehen.

Aber wie es beim Ruhrgebietsklub seit Jahren üblich ist, überschlugen sich mal wieder die Ereignisse. Der Klub verkündete am Dienstag die Beurlaubung von Trainer Jens Keller und gleichzeitig den neuen Coach, Roberto Di Matteo. Eine äußerst seltene Vorgehensweise in der Bundesligageschichte. Nach 22 Monaten ist die Amtszeit von Keller bereits wieder beendet.

„Die Leistungen der Mannschaft in den vergangenen Wochen sind immer wieder starken Schwankungen unterlegen gewesen. Auch positive Ansätze wie die sieben Punkte aus der Englischen Woche mit dem i-Tüpfelchen des Derbysieges haben leider keine Wirkung gezeigt“, teilte Manager Horst Heldt am Dienstag als Begründung mit. Der Klub hat Fakten geschaffen.

Doch die eigentliche Demontage von Jens Keller hatte bereits nach dem 1:4-Debakel bei Borussia Mönchengladbach Mitte September begonnen. Als Angreifer Klaas-Jan Huntelaar öffentlich davon sprach, dass seine Mannschaft für die kommenden Wochen einen Plan benötige, um wieder erfolgreich sein zu können, war dies ein Hinweis darauf, dass die kurze Ära des Trainers nicht mehr lange anhalten würde.

Die Schalker Verantwortlichen waren ja ohnehin seit Wochen darum bemüht, jegliche Rückendeckung für ihren Trainer vermissen zu lassen. Zu einer vorzeitigen Verlängerung des am Saisonende auslaufenden Trainervertrages ließ Manager Heldt stets wissen: „Damit werden wir uns zum gegebenen Zeitpunkt auseinandersetzen“. Nun, rund drei Wochen und einige Spiele später, hat der Klub gehandelt.

Beinahe zwei Jahre hatte sich Keller durch sein Amt gekämpft. Und selten war ein Bundesligatrainer vom ersten Tag seiner Tätigkeit an so umstritten wie er. Das hatte allerdings weniger damit zu tun, dass Keller, der von Horst Heldt aus der Jugendabteilung zu den Profis befördert wurde, keinerlei Erfolge auf höchster Ebene nachweisen konnte.

Dieser Sprung war einigen anderen Fußballlehrern in der Vergangenheit — etwa Thomas Tuchel in Mainz — auch schon erfolgreich gelungen. Der junge Trainer Keller hatte sich nach seinem persönlichen Aufstieg aber offenbar allein auf die sportlichen Aspekte der Bundesliga vorbereitet. Für die ebenso bedeutende „Bühne Bundesliga“, die immer auch ein bisschen Show und Unterhaltung von den Protagonisten abfordert, dazu hat Keller nie den Zugang gefunden.

Keller lehnte es stets ab, seine Idee vom Fußball zu beschreiben. Und da seine Mannschaft weder bei Erfolgen noch bei Niederlagen kaum einmal einheitliche taktische Grundzüge auf dem Platz erkennen ließ, geriet er spätestens nach jeder Pleite sofort wieder in die Kritik. Denn er setzte sich stets dem Verdacht aus, keinerlei konkrete (Spiel-)Pläne zu besitzen.

Eine taktische Weiterentwicklung der Mannschaft war nie zu erkennen. Selbst, als Keller die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte mit seinem Team zustande brachte (36 Punkte) und sich die Schalker doch noch für die Champions League qualifizierten, erschien dies vor allem als ein Erfolg der Spieler. Keller galt vielmehr als das Stehaufmännchen, das wieder einmal eine Krise überlebt hatte. Als eine Katze mit neun Leben, die bereits einige davon aufgebraucht hatte.

Eine klare Linie in der Trainerfrage ließ allerdings auch das Management vermissen. Wie gering das Vertrauen in Keller von Seiten des Klubs durchgängig war, zeigten auch immer die plötzlich über dem Schalker Markt herumgeisternden Trainer, mit denen Horst Heldt, der ebenfalls zunehmend in die Kritik gerät, zwischenzeitlich Kontakt aufgenommen hatte. Stefan Effenberg, Armin Veh und Tuchel waren neben Di Matteo im Laufe der Keller‘schen Amtszeit Gesprächspartner des Managers. Höchstwahrscheinlich sind beide Seiten froh, dass das „Misstrauensverhältnis“ nun beendet ist.