Ulreich und die VfB-Krise: Angst hat „nichts verloren“

Stuttgart (dpa) - Die Krise des VfB Stuttgart ist auch an Sven Ulreich nicht spurlos vorbeigegangen, doch äußerlich lässt er sich nichts anmerken. Als der Torwart die Talfahrt des Bundesligisten nach der Winterpause und sein persönliches Tief analysiert, spricht er mit fester und ruhiger Stimme.

„Wir müssen trotzdem weiter an uns glauben und an den Fehlern arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass wir da wieder rauskommen“, sagt Ulreich, denn: „Angst hat im Fußball nichts verloren.“ Das gilt auch für ihn selbst und seinen Traum von einer Berufung in die Fußball-Nationalelf. Krise hin, Absturz her.

Ist die Selbstsicherheit von Ulreich nur gespielt? Oder geht er tatsächlich gelassener um mit seinen Fehlern und den fünf VfB-Bundesliganiederlagen in Serie als seine Kollegen? In seiner persönlichen Geschichte hat Ulreich jedenfalls schon Schlimmeres erlebt als den Absturz der Schwaben auf Tabellenplatz 14. „Glauben Sie mir: Mich kotzt das auch an“, sagt der 24-Jährige. „Aber durch Rückschläge lernt man, besser mit solchen Situationen umzugehen. Es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu stecken.“

Das hat er schon früher nicht getan, als er durch weitaus tiefere Täler musste. Als er in der Saison 2007/08 mit gerade mal 19 Jahren seine erste Chance in der Bundesliga erhielt, nahm in der damalige VfB-Trainer Armin Veh nach zehn Spielen wieder aus der Mannschaft. „Einmal Rampenlicht und wieder zurück“, schrieb die „Stuttgarter Zeitung“. Und viele dachten: Wie soll dieser junge Kerl das nur verkraften?

Der zweite Tiefschlag folgte nach der Stuttgarter Ära von Jens Lehmann, den Ulreich als Stammkeeper beerben sollte. Doch beim Europa-League-Heimspiel gegen Benfica Lissabon im Februar 2011 nahm sein heutiger Coach Bruno Labbadia einen weiteren Wechsel vor und stellte den erfahrenen Marc Ziegler ins Tor. Doch der verletzte sich gegen die Portugiesen schwer. „Ulle“, wie er von den Fans genannt wird, kam zurück und ist seitdem die Nummer eins.

Doch nun mehren sich auch beim gebürtigen Schorndorfer, der schon als Neunjähriger zum VfB wechselte, die Fehler. Die Pleiten gegen den VfL Wolfsburg (0:2) und Fortuna Düsseldorf (1:3) wurden auch ihm angelastet. „Ich habe den Anspruch, dass ich solche Bälle halte“, sagt er mit Blick auf den Schuss von Diego zum Wolfsburger 1:0. „Aber das wird nicht mein letzter Fehler gewesen sein.“ Die Krise des Teams will er nicht als Vorwand für eigene Patzer benutzen. „Das hat damit nichts zu tun“, meint er und steht zu seinem Tief.

Noch im November hätte wohl niemand erwartet, dass die Stuttgarter so abstürzen würden. Damals sicherte Ulreich mit einer überragenden Leistung das 0:0 bei Meister Borussia Dortmund und formulierte öffentlich seinen Wunsch, in die Nationalelf berufen zu werden. Er halte konstant gut und würde sich freuen, wenn er bei Bundestrainer Joachim Löw in den Fokus rücken würde.

Das ist schon wegen der enormen Konkurrenz in Deutschland schwer. Denn neben den Etablierten wie Bayern-Keeper Manuel Neuer und HSV-Torwart René Adler gibt es auch die vielen Jungen wie Ron-Robert Zieler (Hannover), Marc-André ter Stegen (Mönchengladbach), Kevin Trapp (Frankfurt), Oliver Baumann (SC Freiburg) oder Ulreichs früheren Stuttgarter Rivalen und heutigen Leverkusener Schlussmann Bernd Leno.

Bewerbungen für das höchste deutsche Torhüter-Amt waren seine jüngsten Leistungen jedenfalls nicht. Doch Ulreich kontert: Er habe nie gesagt, dass das sofort sein müsse. Vielmehr sei die Nationalelf sein „langfristiges Ziel“. Es sei schon „vorteilhaft, wenn wir mit dem VfB gut spielen. Dann werden vielleicht mehr von uns eingeladen. Aber im Endeffekt ist das zweitrangig“.

Priorität hat für ihn erst einmal das Derby am Sonntag beim Tabellen-16. Hoffenheim. Denn geht auch das verloren, heißt es für die Labbadia-Elf endgültig: Willkommen im Abstiegskampf. Doch Ulreich glaubt an die Wende. Seine eigene und die des VfB.