Neuer Sportvorstand Unruhe als Geschäftsprinzip: Stuttgart setzt nun auf Reschke

Stuttgart (dpa) - Der neueste Einschlag beim VfB Stuttgart kam für das Umfeld des Fußball-Bundesligisten äußerst unerwartet. Mit ein wenig Abstand passt er jedoch in das Bild eines Vereins, bei dem Unruhe und plötzliche Wendungen zum Alltag zu gehören scheinen.

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Die Trennung von Sportvorstand Jan Schindelmeiser, der durch den vom FC Bayern geholten Michael Reschke ersetzt wird, setzt nur die Personalrochaden fort, die den Traditionsclub seit Jahren begleiten. Der Aufsteiger scheint Unruhe zum Geschäftsprinzip erhoben zu haben.

„Es gibt im Leben Chancen, die man einfach ergreifen und Herausforderungen, denen man sich stellen muss“, sagte Reschke. Vor seiner neuen Aufgabe habe er „großen Respekt“. Das sollte er auch, denn Stuttgart ist ein schwieriges Pflaster.

Reschkes Vorgänger Schindelmeiser hielt sich trotz des Aufstiegs und der von ihm mit angetriebenen Ausgliederung der Profis in eine AG nur ein gutes Jahr im Amt. Beim Vorvorgänger Robin Dutt waren es auch nur rund 16 Monate. Clubchef Wolfgang Dietrich, dessen Verhältnis zu Schindelmeiser laut Medienberichten offenbar belastet war und der sich daher von ihm trennte, führt den Verein seit rund zehn Monaten. Seine Vorgänger Bernd Wahler, der knapp drei Jahre im Amt war, und Gerd Mäuser (rund 21 Monate) hatten nicht lange durchgehalten. Von den 13 Trainern in den zurückliegenden zehn Jahren ganz zu schweigen.

Bei der Saison-Generalprobe des VfB in Reutlingen saß Reschke bereits auf der Tribüne. Im letzten Testspiel vor dem Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal bei Energie Cottbus verlor der VfB gegen Real Betis Sevilla leistungsgerecht mit 1:2 (1:1). Reschke bekam dabei die bekannten Abwehrprobleme im Team von Trainer Hannes Wolf zu sehen. Emiliano Insua musste mit einer Risswunde in ein Stuttgarter Krankenhaus eingeliefert werden und fehlt dem VfB bis auf Weiteres. Der erst kürzlich verpflichtete ehemalige Nationalverteidiger Holger Badstuber fehlte noch, als Kandidaten für die Startelf sieht ihn Wolf erst nach der Länderspielpause Anfang September.

Clubchef Wolfgang Dietrich sieht Reschke und den VfB bei der Kaderplanung und weiteren Neuzugängen bis zum Ende der Transferperiode Ende August „in Zugzwang. Wir müssen die Zeit nutzen, die wir noch haben. Wir müssen nach vorne gehen und die Baustellen bearbeiten, die noch da sind“, erklärte er nach dem Testspiel.

Nun soll also Reschke, der in München noch einen Vertrag bis 2018 hatte, den VfB dahin führen, wo ihn Dietrich schon in wenigen Jahren sehen will: in die Champions League. „Er ist ein absoluter Glücksfall für unseren Verein“, sagte Dietrich und verwies auf den hervorragenden Ruf, den der 59-Jährige im Fußball-Geschäft genießt.

Dieses Image erwarb sich Reschke, der beim VfB bis 2020 unterschrieb, einst bei Bayer Leverkusen. Dort lobte man ihn für sein gutes Gespür bei Spielerverpflichtungen. Er gilt als Experte auf dem internationalen Transfermarkt und als versierter Verhandlungsführer. Beim FC Bayern wurde seine Arbeit als Technischer Direktor zuletzt offenbar kritischer bewertet.

Dass sein Abgang mit der Verpflichtung von Hasan Salihamidzic als neuem Sportdirektor des FCB zu tun haben könnte, dementierte Reschke allerdings. „Meine Entscheidung hat 0,0 mit Brazzo zu tun“, sagte er bei Sport1. „Ich gehe zum VfB nicht, weil ich von Bayern weg wollte, sondern weil ich dahin wollte. Es war definitiv keine Flucht.“

Schindelmeiser soll auch an seiner Personalpolitik gescheitert sein, intern war sie offenbar auf Kritik gestoßen. Quasi als Abschiedsgeschenk fädelte er aber noch die Verpflichtung von Badstuber für die wackelige Abwehrzentrale ein. Vielleicht wird es dort nun etwas ruhiger - zumindest von September an.