Van Gaals Fall: Baustellen und Fehlkalkulationen

München (dpa) - Vom Feierbiest zum Fehlerteufel - drei schwere Niederlagen in Serie haben Louis van Gaal beim FC Bayern München zum Trainer in Not gemacht. Im Misserfolg verblassen die Verdienste von gestern, dafür rücken Baustellen und Fehleinschätzungen in den Vordergrund.

Die Nachrichtenagentur dpa benennt einige Kernprobleme:

TRANSFERPOLITIK: Nach der WM in Südafrika, bei der elf von 13 Bayern-Profis bis zum Schluss im Einsatz waren, befürchtete man auch intern Probleme zum Saisonstart. Ausgelaugte Stars, dazu ein verletzter Robben - trotzdem lehnte van Gaal genehmigte Millionen-Transfers selbst in der Wackel-Abwehr ab. Dem Jugendförderer genügte die Rückkehr von Kroos (aus Leverkusen) und Breno (nach Verletzung).

ABWEHRPROBLEME: Van Gaal denkt fußball-taktisch offensiv - gerade Robbens Traumlauf in der Rückrunde der Vorsaison übertünchte Defizite in der Defensive. Auf der linken Seite setzte van Gaal ganz auf Youngster Diego Contento. Innen wurde auch nicht aufgerüstet, im Winter floh Demichelis nach Spanien. Nationalspieler Badstuber fiel nach einer Verletzung (Schambeinentzündung) ins Formtief. Van Buyten und Breno genügen höchsten Ansprüchen nicht. Ein Defensivkonzept besteht nicht, das Abwehrverhalten wird auch kaum trainiert.

OFFENSIVE: Die Flügelzange Robben/Ribéry gilt als Schwungrad und wichigster Erfolgsfaktor im Angriffsspiel. Wird sie lahmgelegt - wie von Dortmund, Schalke, Hannover - fehlt Plan B. Robben und Ribéry rennen sich außen fest, im Zentrum herrscht ein kreatives Vakuum.

TORWARTTAUSCH: Im Winter eröffnete van Gaal mit dem Tausch Kraft für Butt eigensinnig eine Baustelle im Tor. Kraft (22) ist ein großes Talent, hielt überragend in Mailand, patzte in Hannover. Routinier Butt (36) hielt tadellos in der Vorrunde, war zudem eine Führungsfigur. Das Buhlen der Bosse um Nationalkeeper Manuel Neuer vom FC Schalke sorgt für zusätzliche Unruhe und Druck auf Kraft.

FÜHRUNGSSTREIT: Die ständigen Reibungen zwischen Vereinsführung und Trainer belasten das Gesamtklima. Zwischen Präsident Hoeneß und van Gaal herrscht seit längerem Eiszeit.

KAPITÄN: Der vom Vorstand abgesegnete Winterwechsel von Mark van Bommel zum AC Mailand war sportlich vielleicht vertretbar. Auf dem Platz aber fehlt - wenn's nicht läuft - eine Reizfigur und der Anführer. Der Niederländer war zudem Sprachrohr der Mannschaft.

RESERVISTEN: Van Gaal ist kein Freund der Rotation wie einst Ottmar Hitzfeld. Vernachlässigte Reservisten wie Klose, Altintop, Ottl, van Buyten sollen in der sportlichen Not plötzlich Retter sein. 30-Millionen-Stürmer Gomez stand zu Saisonbeginn vor der Flucht nach Liverpool - mit 28 Pflichtspieltoren ist er nun Stürmer Nummer 1.

FORMKRISEN: Zum ungünstigsten Zeitpunkt sind Leistungsträger wie Schweinsteiger oder Badstuber aus dem Tritt geraten. Ein Vorkämpfer wie Ivica Olic fällt zudem bis Saisonende verletzt aus.

SPRUNGHAFTIGKEIT: Versäumnisse in der Kaderbestückung und Verletzungspech führt(e) dazu, dass van Gaal Spieler nicht auf ihren besten Positionen einsetzt: Müller musste auf die Flügel ausweichen, Schweinsteiger als Zehner aushelfen. Mittelfeldmann Timoschtschuk sollte das Innenverteidiger-Problem lösen. Badstuber war in Hannover einmal mehr links hinten überfordert. Winter-Neuzugang Luiz Gustavo wird defensiv hin- und hergeschoben; sein bestes Spiel machte er gegen Inter Mailand auf seiner Lieblingsposition als Sechser.