VfB-Präsident: Wir gehen „ein bisschen mehr ins Risiko“
Stuttgart (dpa) - Von einem Weltkonzern zum VfB Stuttgart - diesen Schritt wagte der frühere Adidas-Manager Bernd Wahler. Seit Juli ist er Präsident des schwäbischen Fußball-Bundesligisten. Das Mittelmaß des Traditionsvereins schmeckt ihm gar nicht.
„Manchmal bewegen wir uns wie so ein Dampfer auf dem Neckar und nicht wie ein Schnellboot. Das muss sich ändern“, sagte Wahler der Nachrichtenagentur dpa in einem Interview. Er hat konkrete Ideen, wie er das umsetzen will.
Der VfB Stuttgart verkörpert in der Fußball-Bundesliga nur Mittelmaß. Was sind Ihre sportlichen Ziele?
Bernd Wahler: Der VfB muss um die Europa-League-Plätze mitspielen. Das Zeug dazu haben wir auch jetzt schon, aber da muss alles passen. Wenn man realistisch ist, muss man sagen: Wenn wir einen einstelligen Tabellenplatz am Ende der Saison haben, sind wir zufrieden, solange die Entwicklung weitergeht. Ganz ideal ist Platz sechs, sieben und im schlimmsten Fall kann es bei der aktuellen Konkurrenzsituation auch Platz 15 werden. Das spiegelt im Moment unser Spektrum wider und das müssen wir verbessern.
Das sind aber nicht die wahren Ansprüche des VfB.
Wahler: Unser Ziel ist es, nach wie vor zu den Topteams in der Bundesliga zu gehören, dass wir uns international qualifizieren und dass wir auch irgendwann wieder in der Champions League spielen. Ich habe am Anfang von einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren gesprochen, wenn ich es aktuell betrachte, ist eher die fünf als die drei realistisch.
Diese Ziele gibt es am Neckar schon eine ganze Weile.
Wahler: Der Sport steht im Zentrum, unser Produkt ist der Fußball. Und das stellen wir mit allem, was dazu gehört, in den Mittelpunkt. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber das war hier nicht immer so. Oft war der Ausgangspunkt eine schwarze Null und damit sagte man dem Sport, was machbar ist und hat dem alles andere untergeordnet. Das drehen wir ein bisschen um. Wir werden nach wie vor schwäbisch clever wirtschaften, aber mit einem Zeithorizont, der sich vielleicht auch mal über zwei Saisons erstreckt, in denen wir ein paar rote Zahlen schreiben. Aber das ist dann kalkuliert und Teil des Plans. Da gehen wir ein bisschen mehr ins Risiko.
Auf der anderen Seite legen Sie viel Wert auf den Nachwuchs.
Wahler: Wir können nicht einfach warten, bis die nächste Generation der Jungen Wilden vielleicht auf den Platz kommt und uns in die Champions League schießt. Das wird nicht reichen, darauf werden wir uns nicht verlassen. Wir müssen besser arbeiten als viele andere.
Ist eine gute Jugendarbeit auch ein Argument im Gespräch mit Sponsoren?
Wahler: Jugend ist eine Story, in die das wirtschaftliche Umfeld Stuttgarts sicher eher investiert als nur in die vage Hoffnung auf eventuellen Erfolg. Wir haben viele Partner, die Weltmarktführer in ihrem Bereich sind und diese erwarten vom VfB, den Anspruch auch zu unterstreichen. Wir brauchen die nötigen Mittel, um uns zu entwickeln, wir brauchen aber auch eine Glaubwürdigkeit, eine Story, mit der man uns identifizieren kann. Jugend, Tradition, Leistungskultur sind Begriffe, die auch dort Begeisterung hervorrufen.
Sie waren zuvor unter anderem Manager bei Adidas. Geht Ihnen die Modernisierung beim VfB schnell genug?
Wahler: Manchmal bewegen wir uns wie so ein Dampfer auf dem Neckar und nicht wie ein Schnellboot. Das muss sich ändern. Wir müssen schneller und flexibler sein. Wir müssen hier in jedem Bereich eine Leistungskultur reinbringen. Wir sind auch dabei das hinzukriegen. Intern spüre ich, dass die Aufbruchstimmung nicht aufgehört hat, sondern sich hier etwas tut.
Sportlich ist dieser Aufwind aber deutlich abgeflaut.
Wahler: Veränderungen brauchen eine gewisse Zeit, damit sie spürbar werden. Ich verstehe die Fans, bin selber einer und werde immer einer sein. Und wenn wir wie auf Schalke verlieren, stinkt mir das genauso und manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste zu jedem einzelnen hingehen und ihm erklären, dass sich dennoch Dinge in der täglichen Arbeit zum Besseren bei uns verändern. Intern sehe ich aber unheimlich viel Positives.
Aus der Mannschaft sticht vor allem Youngster Timo Werner heraus.
Wahler: Die Entwicklung ist gigantisch. Dass er in den Zukunftsplänen eine große Rolle spielt, ist ganz klar. Wir wollen ihn halten, und ich bin unheimlich optimistisch, dass uns das auch gelingt, sobald er 18 wird. Auf der anderen Seite freue ich mich über jedes Angebot, das er kriegt, weil das unsere Arbeit auszeichnet. Wir müssen als Verein so attraktiv sein und Perspektiven bieten, dass solche Supertalente so lange wie möglich hier bleiben und dass wir mehr von ihnen haben.
Wie weit ist der Verein etwa in puncto Ausgliederung der Lizenzspieler-Abteilung, um strategische Partner zu gewinnen?
Wahler: Die Ausgliederung ist eine Möglichkeit. Wir sind aber keiner der Vereine, die mit dem Rücken an der Wand stehen. So ging es einigen, die den Schritt bereits gegangen sind. Man kann bei einem Verein, der 120 Jahre alt ist, nichts übers Knie brechen und eine andere Struktur zuweisen. Wir sind dabei uns zu überlegen, was die richtigen Veränderungen sind, die wir brauchen, welcher der richtige Weg ist für unseren VfB. Wir werden da die Mitglieder und alle Interessengruppen auch miteinbeziehen. Bis zur Mitgliederversammlung im Sommer werden wir das aber alles zu 100 Prozent nicht ausgearbeitet haben, werden aber dazu Stellung beziehen.