1:2 beim Hamburger SV VfL Wolfsburg am Tiefpunkt - Gomez: Extrarunde verdient

Hamburg (dpa) - Auch am Tag nach der bitteren Last-Minute-Niederlage beim HSV saß der Schock beim VfL Wolfsburg tief.

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Die Stimmung beim Training am Sonntag war angespannt, und die Mienen der Bosse verschlechterten sich weiter, als in der Übungseinheit auch noch der in Hamburg gesperrte Riechedly Bazoer mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden ging. Der Niederländer, unter Trainer Andries Jonker ein wichtiger Faktor in einer völlig konturenlosen Mannschaft, zog sich eine Knieverletzung zu und fällt für die beiden Spiele in der Relegation gegen den Zweitliga-Dritten Eintracht Braunschweig am 25. und 29. Mai ebenso aus wie Sebastian Jung. Für den Außenverteidiger ist die Saison wegen muskulärer Problemen vorzeitig beendet.

„Wir müssen das Spiel schnell abhaken“, sagte der immer noch tief enttäuschte Jonker. „Wir müssen uns steigern, fehlerlos spielen und mehr Tore schießen“, sagte der VfL-Coach, der den direkten Verbleib in der Ersten Liga seit seiner Amtsübernahme auch nicht schaffte. Nun muss er mit seiner verunsicherten Mannschaft in zwei weitere Endspiele - Ausgang völlig offen. Um sich in Ruhe vorbereiten zu können, beziehen die Wolfsburger von Montag bis Mittwoch ein Kurztrainingslager im niederländischen De Lutte. Bislang hatte Jonker auf eine solche Maßnahme stets verzichtet.

Am Samstag hatten die Wolfsburger Fußball-Profis wie gemaßregelte Schüler in einer abgesperrten Zone des Hamburger Volksparkstadions gestanden und die Köpfe hängengelassen. „Schämt euch!“, schien die Order nach dem 1:2 beim Hamburger SV zu lauten, während Polizisten mit heruntergelassenen Visieren die VfL-Spieler von den auf den Platz stürmenden HSV-Fans abschirmten. „Wir haben es als Mannschaft nicht geschafft und jetzt das bekommen, was wir verdient haben — eine Extrarunde“, befand Torjäger Mario Gomez geknickt.

Damit hat der VfL Wolfsburg den Tiefpunkt in seiner 20-jährigen Bundesliga-Geschichte erreicht. Platz 16 und Relegation - das gab's noch nie bei den Wölfen. „Das ist ein Tiefschlag für die Spieler, aber auch für die Funktionäre. Wenn man in die Relegation muss, hat das seine Gründe“, sagte Geschäftsführer Wolfgang Hotze. „Die Entwicklung der letzten 24 Monate war sicherlich nicht positiv.“

Während in der Kabine des HSV hemmungslos gegrölt wurde („Immer 1. Liga“) herrschte im gegenüberliegenden Trakt der Gäste gespenstische Ruhe. „In der Kabine wurde mehr geschwiegen als gesprochen“, verriet Hotze. Die Gedanken an die Relegation hätte die VfL-Führung am liebsten auf den Folgetag verschoben, doch sie musste sich bohrenden Fragen stellen. „Wie der Gegner heißt, spielt keine Rolle“, meinte der Sportliche Leiter Olaf Rebbe.

Die Auswahl ist so groß nicht. Sehr wahrscheinlich wartet Eintracht Braunschweig am Donnerstag und darauffolgenden Montag auf die Wolfsburger. Die Krux an der Strafrunde: Braunschweig und Wolfsburg liegen lediglich 30 Kilometer auseinander, ansonsten sind sie aber Welten voneinander entfernt. Die Anhänger der von VW unterstützten Clubs sind sich nicht grün. Das heißt: Sicherheitsspiel. „Natürlich würden Relegationsspiele gegen Braunschweig emotional sehr aufgeladen sein“, gab Hotze zu.

Beim HSV sind Rumpelfußball und Gratwanderung am Rande zur Zweitklassigkeit nahezu Leitkultur, beim VfL Wolfsburg aber schockiert der Niedergang aufgrund der Ausgangslage. Das Team von Jonker gehört finanziell wie personell zu den potentesten in der Bundesliga.

Rund 97 Millionen Euro hat die Vereinsführung in die Verstärkung der Mannschaft mit Mario Gomez, Paul-Georges Ntep, Yunus Malli, Josuha Guilavogui, Riechedly Bazoer und Yannick Gerhardt investiert. Der Marktwert des Kaders wird auf 154 Millionen Euro taxiert. Spieltechnisch schlummert gewaltiges Potenzial im Team. „Wenn wir das verbinden mit Kampfgeist, sind wir einer der besten Bundesligisten“, meinte Jonker. Ja, wenn. In Hamburg überließen die spieltechnisch besseren Wolfsburger Kampfgeist und Leidenschaft den Platzherren.

Vor der Relegation rief Jonker dennoch zur Ruhe auf: „Ich habe keinen Grund, jetzt Panik und Hektik zu machen.“ Bis Donnerstag will er die Köpfe seiner Mannen befreien von Angst und Zweifeln. Sportchef Rebbe ist sich sicher: „Wir werden in der Relegation erfolgreich sein.“