Vor zehn Jahren: BVB-Rettung in letzter Minute
Dortmund (dpa) - In der Geschäftsstelle von Borussia Dortmund knallen am Samstag keine Champagner-Korken. Ein kurzes Innehalten wird es in den Stunden vor dem Anpfiff der Partie gegen Köln dennoch geben.
Schließlich überstand der Revierclub vor zehn Jahren den schwierigsten Tag seiner Geschichte.
Beim Blick zurück überkommt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke noch heute ein beklemmendes Gefühl: „Das war unfassbar, das war eine Extremsituation. Ich werde es in meinem Leben niemals vergessen.“
Für viele Borussen ist der 14. März 2005 so etwas wie ein zweiter Geburtstag des Vereins. Nach langem Ringen stimmten die Haupteigentümer des Westfalenstadions dem Sanierungskonzept des finanziell schwer angeschlagenen Clubs zu. Damit konnte die drohende Insolvenz des Branchenriesen quasi in letzter Minute abgewendet werden. Schaudernd erinnert sich Watzke an die sechsstündige Sitzung in einer Eventhalle des Düsseldorfer Flughafens. „Die ersten vier Stunden waren sehr negativ. Da hatten einige BVB-Sympathisanten im Saal Tränen in den Augen. Die dachten, das ist das Ende“, sagte er dem WDR.
Knapp einen Monat zuvor hatte der einzige an der Börse notierte deutsche Fußball-Club per Pflichtmitteilung eine „existenzbedrohende Ertrags- und Finanzsituation“ vermeldet. Als der damalige Manager Michael Meier auf einer Pressekonferenz wenige Stunden später gefragt wurde, ob der BVB noch liquide sei, erteilte er seinem Nebenmann Jochen Rölfs das Wort. Die Antwort des Wirtschaftsprüfers sorgte für ein Bundesliga-Beben: „Lehnen die Gläubiger den Sanierungsplan ab, war's das. Dann ist Schluss. Der BVB hat nichts mehr in der Hinterhand.“
Die danach präsentierte Horrorbilanz übertraf selbst die schlimmsten Befürchtungen. Mit einem Mal wurde deutlich, in welch prekäre Lage die damaligen Führungskräfte Gerd Niebaum und Michael Meier den Verein mit ihrer Großmannssucht manövriert hatten. Demnach waren bereits knapp 80 Prozent des von den Aktionären eingezahlten Kapitals in Höhe von 179,5 Millionen Euro durch Verluste aufgezehrt. Zudem rechnete der BVB für das Geschäftsjahr mit einem Defizit von rund 68 Millionen Euro.
Einen Tag später einigten sich die Gläubiger des BVB auf einen ersten Kompromiss zur Sanierung des Vereins. Was jedoch noch fehlte, war die Zustimmung der 5800 Gesellschafter des Immobilienfonds Molsiris. Der Revierclub hatte sein Stadion zwei Jahre zuvor zu 94 Prozent an den Fonds veräußert und dann für 16 Millionen jährlich zurückgeleast. Der Sanierungsplan sah einen Teilrückkauf des Stadions und die Stundung der Mietzahlungen für die Jahre 2005 und 2006 vor. Ermöglicht werden sollte das durch einen von den Anlegern freigegebenen Zugriff auf ein Depot in Höhe von knapp 52 Millionen Euro, das ursprünglich für den geplanten Rückerwerbs des Stadions im Jahr 2017 festgelegt war.
Mit rhetorischem Geschick warben BVB-Präsident Reinhard Rauball und Watzke für das Sanierungskonzept - und stimmten die lange Zeit skeptischen Anleger um. Am Ende der Gratwanderung gaben rund 94 Prozent des vertretenen Kapitals grünes Licht. Abgekämpft, aber sichtlich erleichtert schwor Rauball die Fans auf entbehrungsreiche Jahre ein: „Es ist der Start zu einem Marathon. Vor uns liegt eine schwierige Zeit mit vielen Einsparungen und wenig Investitionen.“
Es gleicht einem Märchen, dass die Borussia nur eine Dekade später finanziell prächtig dasteht. Unter der Regie von Watzke gelang der Abbau eines rund 200 Millionen Euro hohen Schuldenberges. Dass es nach zuletzt zwei Meisterschaften (2011/2012), dem Pokalsieg (2012) und dem Einzug in das Champions-League-Finale (2013) sportlich derzeit nicht wunschgemäß läuft, lässt sich im Vergleich zur damaligen existenzbedrohenden Situation verschmerzen. „Das war der Schlüssel für die Zukunft des BVB“ kommentierte Watzke mit Bezug auf den 14. Mai 2005, „heute verfügen wir über ein ordentliches Festgeld-Konto und das Stadion gehört uns. Darauf können wir stolz sein.“
Vor dem Spiel gegen Köln planen die Fans einen Marsch, der an die damaligen Ereignisse erinnern soll. Mit einer ähnlichen Aktion unter dem Motto „Not für Sale“ hatte der BVB-Anhang vor zehn Jahren seine Angst vor der drohenden Insolvenz des Vereins zum Ausdruck gebracht.