Watschn für Tuchel - „Schütteln und neu aufstellen“

München (dpa) - Einmal an diesem so düsteren BVB-Abend huschte doch noch ein Lächeln über das schmale Gesicht von Thomas Tuchel. Verlegen wie ein Schuljunge lauschte der Dortmunder Coach im Pressesaal der Münchner Arena den warmen Worten des von ihm bewunderten Fußballlehrers Pep Guardiola.

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Der Spanier dozierte auf dem Podium über die Borussia als eine kraftstrotzende „Maschine“ und „eine der besten Mannschaften in Europa“ - und das nach einer schmerzhaften 5:1-Watschn des FC Bayern für den geschrumpften Rivalen. „Wir wussten, wenn wir den BVB spielen lassen, sind wir kaputt“, erklärte Guardiola, der Sieger, herausgeputzt im feinen Anzug. Und Tuchel, der Verlierer, saß im schwarz-gelben Trainingsanzug daneben und hörte andächtig sowie ungläubig staunend zu.

Wer war hier noch mal kaputt? Das 1:5 im Bundesliga-Topspiel war ein Wirkungstreffer, der Tuchel heftig zusetzte, der den ehrgeizigen Coach aber vor allem irritierte. „Wir müssen uns schütteln und neu aufstellen“, verkündete er nach seiner ersten Niederlage im 15. Pflichtspiel als BVB-Coach.

„Wir wussten, dass wir alles auf dem höchsten Niveau brauchen, um konkurrenzfähig zu sein. Wir haben das nicht hinbekommen“, gestand Tuchel. Sein taktischer Plan mit Marco Reus als „frischem“ Joker von der Bank und einer Raute im Mittelfeld, die Kompaktheit gegen die „scharfen“ Bayern schaffen sollte, ging nur in der Anfangsphase auf.

„Vielleicht war es mein Fehler, aber es war meine Überzeugung“, beharrte Tuchel auf seiner Idee. Diese war keineswegs verkehrt. Und sie hätte nach dem 1:2-Anschlusstor von Pierre-Emerick Aubameyang auch noch einmal aufgehen können. Aber sie wurde gleich mehrmals torpediert von einem kollektiven Abwehrversagen bis hin zum zaudernden Torwart Roman Bürki, den Tuchel aber freisprach.

Der Trainer haderte besonders mit den ersten drei Gegentoren, darunter zwei nahezu deckungsgleiche nach 60-Meter-Bällen von Bayern-Verteidiger Jérôme Boateng. Tuchel sprach später von „drei Fehlern, die du in München nicht machen darfst“. Er monierte „ein Abwehrverhalten gegen alle Verteidigungsprinzipien“. Es habe ein „Anker“ gefehlt im BVB-Spiel. Zweimal sagte Thomas Müller danke, einmal Robert Lewandowski - „mit dem dritten Tor war' durch“, resümierte Tuchel.

Auch die BVB-Spieler waren konsterniert. „Wenn wir es ein bisschen reifer spielen, ist viel mehr drin“, haderte Ilkay Gündogan. Kapitän Mats Hummels resümierte trotzig: „Das 5:1 tut weh. Aber ich glaube nicht, dass wir ein Spiel gesehen haben, das 5:1 enden muss.“ Der Weltmeister, der dem Abwehrverbund auch keinen Halt geben konnte, kapitulierte vor dem gnadenlosen Erzrivalen: „Die Bayern sind eine unfassbar gute Mannschaft, Schwächen beim Gegner auszunutzen.“

Das Bayern-Ärgern, das Tuchel in der Vergangenheit mit dem kleinen FSV Mainz 05 mehrmals geglückt war und das sein Vorgänger Jürgen Klopp in seiner Borussen-Zeit zu einer Lieblingsdisziplin entwickelt hatte, muss er als BVB-Coach noch üben. Zum Bayern-Herausforderer taugt die unter Tuchel wieder aufstrebende Borussia (noch) nicht. Ein Champions-League-Platz muss das Ziel des Tabellenzweiten sein.

„Wir müssen akzeptieren, dass wir hoch verloren haben. Damit beschäftigen wir uns jetzt“, kündigte Tuchel an, bevor er mit seinem Rollkoffer die Münchner Arena verließ. Kleiner Trost: Auch Klopp hat eines seiner ersten Bundesligaspiele gegen die Bayern im Herbst 2009 gleich mal mit 1:5 verloren - und das sogar im Dortmunder Stadion.