Zerwürfnis: Bayern-Doc geht - Guardiola: Sein Wille
München (dpa) - Pep Guardiola hielt sich nach dem Zerwürfnis von Club-Ikone Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt mit dem FC Bayern vornehm zurück. Von einem Machtkampf wollte der spanische Starcoach am turbulenten Tag nach dem einschneidenden Schritt des Vereinsarztes nichts wissen.
„Es war seine Entscheidung. Ich habe großen Respekt, ich kann diese Entscheidung nur respektieren“, erklärte der Bayern-Trainer in einer höflichen Stellungnahme. Gar nichts sei zwischen ihm und dem Arzt passiert. Viel mehr sagte Guardiola, der dem Eingangsstatement des Vereins mit Dank an den Mediziner mit regloser Miene lauschte, zur brisanten Personalie nicht.
Mit Blick auf „extrem wichtige Tage“ mit der Liga-Partie bei 1899 Hoffenheim und der Herkulesaufgabe im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den FC Porto wollte der deutsche Fußball-Rekordmeister in seiner Stellungnahme „nicht irgendwo nachkarten“. Der Abgang mit Knalleffekt, für den der Vereinsarzt mit seinem Rücktritt nach fast vier Jahrzehnten am Vorabend gesorgt hatte, barg aber auch so genug Brisanz in sich.
„Ich will noch nichts sagen, es ist noch zu früh. Ich werde mich noch äußern, aber nicht heute“, sagte Müller-Wohlfahrt am Morgen nach seinem via Pressemitteilung verkündeten Abschied. Der Mediziner beendete inmitten der Nachwehen des ernüchternden 1:3 in Porto eine Ära, in der die Spieler anfänglich noch Gerd Müller und Uli Hoeneß hießen und in der er knapp zwei Dutzend Trainerwechsel erlebte.
„Aus uns unerklärlichen Gründen“ sei die medizinische Abteilung für die Niederlage in Porto „hauptverantwortlich gemacht“ worden, hieß es in der Mitteilung. Man sehe das für eine erfolgreiche medizinische Arbeit notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt. Müller-Wohlfahrt verabschiedete sich mit seinem Stab, in dem auch Sohn Kilian arbeitete. Spekuliert wurde auch über drohende Rücktritte aus dem Kreis der Physiotherapeuten. „Was auf dem Platz passiert, ist meine Verantwortung“, sagte Guardiola. Wenn man verliere, sei das die Schuld des Trainers und nicht die von Vorstand oder medizinischer Abteilung.
Müller-Wohlfahrt sei ein „genialer Arzt, einer der besten der Welt. Dass er zurücktritt, schwächt das Team“, sagte der frühere Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld bei einer Veranstaltung des TV-Senders Sky. Die Entscheidung Müller-Wohlfahrts sei sicherlich nicht spontan gewesen. „Es muss Einiges im Vorfeld passiert sein, so etwas entwickelt sich“, sagte der Routinier. Ob ein Arzt Schuld an einer Niederlage sein könne, beantwortete der erfahrene Hitzfeld mit einem klaren „Nein“. Die Trennung vor dem Porto-Spiel würde „die Aufgabe nicht erleichtern“.
Vor neun TV-Kameras und rund 30 Journalisten referierte Guardiola am Tag vor dem nächsten Spiel auf dem Weg zum Meistertitel über seine „Helden“, wie er die vorhandenen Spieler nannte. Mit 13 Operationen und Muskelverletzungen hätte es die Mannschaft in zwei Jahren überragend gemacht, zählte Guardiola auf. An seinen persönlichen Zukunftsplänen würden die Vorkommnisse dieser Woche nichts ändern. „Ich bin sehr zufrieden“, sagte der Trainer, der einen Vertrag bis 2016 hat. „Ich will nächstes Jahr hier bleiben.“
Vor zwei Wochen sprach er noch von seiner schwierigsten Phase als Bayern-Trainer, nun muss er die Unruhe nach dem Arztwechsel moderieren. Pikant: Die Bayern-Stars vertrauen „Mull“ weiter, dürften „den Doc“ weiter in seiner Praxis im Herzen der Stadt aufsuchen.
Das Verhältnis zwischen Guardiola und Müller-Wohlfahrt war schon lange weit mehr als nur angespannt. Vor allem bei der Behandlung des über ein Jahr verletzten Spaniers Thiago gab es hinter den Kulissen mächtig Ärger - allen Beteuerungen von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Sportvorstand Matthias Sammer zum Trotz.
Spekuliert wurde in Medien, dass es vor dem Rücktritt von Müller-Wohlfahrt im Rahmen des Porto-Spiels zu einer Diskussion mit Rummenigge gekommen sein soll. Bestätigt oder dementiert wurde das bei der Pressekonferenz am Freitag nicht. Weitere Fragen wurden nicht zugelassen. Nachfolger von Müller-Wohlfahrt wird zunächst Volker Braun, Arzt der zweiten Mannschaft.
Hoch im Kurs steht der von Stars und Sternchen aus allen Bereichen gerne aufgesuchte Müller-Wohlfahrt auch nach dem überraschenden Schritt in München weiter beim DFB. Joachim Löw setzt total auf den 72-Jährigen. Der Bundestrainer gibt seiner medizinischen Abteilung auch einen hohen Anteil am WM-Titel. Torwart Manuel Neuer und Kapitän Philipp Lahm wurden punktgenau zum ersten WM-Spiel in Brasilien fit. Das Risiko der Nominierung der lange verletzten Mittelfeldstrategen Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira zahlte sich auf dem Weg zum Triumph aus.
Schon einmal gab es ein Comeback von Müller-Wohlfahrt bei FC Bayern. Nach Ärger in der kurzen Amtszeit von Jürgen Klinsmann verließ der Sportmediziner vorübergehend den Verein, am Tag nach der spektakulären Trennung vom ehemaligen Bundestrainer kehrte er umgehend in das Amt des Teamarztes zurück. Damals übernahm auch Uli Hoeneß eine führende Rolle. Es wäre interessant zu wissen, wie der ehemalige Bayern-Präsident über die Causa von heute denkt.