Auf zur „Decima“: Highlight und Härtetest für Khedira
Lissabon (dpa) - Portugal statt Passeiertal! Während Joachim Löw mit seinen vielen humpelnden Nationalspielern am Mittwoch in Südtirol in die heiße Phase der WM-Vorbereitung startet, hofft Sami Khedira noch auf die Krönung der für ihn so entbehrungsreichen Saison.
Gerade einmal sechs Monate nach seinem im Freundschaftsspiel gegen Italien erlittenen Kreuzbandriss fiebert der 27 Jahre alte Mittelfeldstratege von Real Madrid einem möglichen Einsatz im Champions-League-Finale gegen den Stadtrivalen Atletico Madrid in Lissabon entgegen. Bis Samstagabend heißt es für Khedira nur „Decima“ statt Deutschland.
„Sami ist bereit. Er hat eine fantastische, professionelle Arbeit geleistet“, lobte Real-Coach Carlo Ancelotti, ohne Khedira eine Garantie für einen Einsatz von Beginn an geben zu wollen. Vor einem halben Jahr schien selbst ein Platz auf der Ersatzbank noch undenkbar bei Reals Versuch, den zehnten Königsklassentitel der Clubgeschichte zu holen. Doch mit unbändigem Willem und großer Moral schuftete der frühere Stuttgarter in der Reha tagein tagaus für sein Comeback - und den großen Traum von der WM-Teilnahme in Brasilien.
„Ich habe bisher nur ganz wenige Spieler gesehen, die so vehement und zielstrebig in der Rehabilitation gearbeitet haben“, zollte auch Bundestrainer Joachim Löw dem 44-maligen Nationalspieler höchste Anerkennung für dessen nimmermüden Einsatz. Seit Khediras schwerer Verletzung Mitte November im Testkick gegen Italien standen die beiden in ständigem Kontakt.
„Seine gesamte Entwicklung war ohne jeglichen Rückschlag. Der Heilungsverlauf war überaus positiv. Er fühlt sich körperlich gut. Der Dok hat bestätigt, dass Knie und Muskulatur absolut in Ordnung sind“, sagte Löw. „Ich glaube, dass wir einen Sami Khedira antreffen, der schon mit unglaublich guter Basis ins Trainingslager kommt.“ Khediras Mitwirken im Champions-League-Finale wäre vielleicht sogar mehr wert als die ersten Tage im Trainingslager der Nationalmannschaft.
Schließlich spielt die Führungskraft in den Plänen des Bundestrainers eine zentrale Rolle bei der Mission WM-Titel am Zuckerhut. Es stand deshalb auch nie infrage, dass Löw für den kampfstarken und intelligenten Mittelfeld-Lenker eine Ausnahme bei der WM-Nominierung machen würde. Das Kriterium hundertprozentige Fitness hatte Löw bei Khedira schnell über Bord geworfen. Es gebe immer Ausnahmen von der Regel, betonte Löw. „Er brennt auf die WM.“
Von der weiteren Entwicklung Khediras in den kommenden Wochen bis zum ersten WM-Spiel gegen Portugal mit Khediras Teamkollegen Cristiano Ronaldo am 16. Juni in Salvador hängt für Löw vieles ab. Gerade wegen der neuerlichen Bedenken um den Gesundheitszustand von Bastian Schweinsteiger ist ein Khedira extrem wichtig für das deutsche Team. Auch die Rolle des seit dem DFB-Pokalfinale ebenfalls verletzten Kapitän Philipp Lahm hängt eng mit dem weiteren Entwicklungsprozess bei Khedira zusammen. Ist dieser fit, könnte Lahm auch hinten rechts eingesetzt werden.
Löw und sein Assistent Hansi Flick wünschen sich daher nach dem nervenaufreibenden nationalen Cup-Finale am vergangenen Samstag dieses Mal einen ruhigeren Fußball-Abend. Zusammen mit dem Team wird es sich die deutsche Führungsriege im Fünf-Sterne-Hotel Andreus in Südtirol vor dem Fernseher gemütlich machen. Löw würde es begrüßen, wenn Khedira von Trainerkollege Ancelotti zumindest eine Weile eingesetzt wird, um weitere Matchpraxis zu sammeln. Vor allem sehnt sich der Bundestrainer aber danach, keine schlechten Nachrichten aus Lissabon zu erhalten. Ein körperlicher Rückschlag Khediras würde seine WM-Mission extrem ins Wanken bringen.