Gute Ausgangslage Bayer cool und abgezockt - Völler warnt: „Noch nicht durch“
London (dpa) - Kevin Kampl erlebte den Schlusspfiff irgendwo zwischen Gang und Kabine, nicht mehr live auf dem Rasen des Fußball-Tempels Wembley.
Humpelnd und am rechten Fuß sockenlos verließ der Torschütze zum 1:0 (0:0)-Auswärtssieg in der Champions League gegen Tottenham Hotspur die legendäre Londoner Arena. Und trotz aller Schmerzen strahlte Kampl später in der Mixed-Zone, war „extra stolz“ auf sich und seine Mitstreiter der Leverkusener Mannschaft.
„Definitiv, mit sechs Punkten bist du richtig gut dabei“, bekannte er. Dies war der wohl bedeutungsvollste Satz, den der 26-Jährige nach seinem entscheidenden Treffer (65. Minute) hören ließ. Nach einer längeren Zeit ohne positive Erlebnisse war es ein wichtiges Erfolgserlebnis für die Bayer-Fußballer. Dessen war sich auch Kampl bewusst, als er festhielt, die jüngere Vergangenheit sei „für uns alle ein bisschen eine schwere Zeit“ gewesen.
Wohl wahr. Das Aus im DFB-Pokal beim Drittligisten Lotte, nur Platz zehn nach neun Bundesligaspielen, in Europas Königsklasse vor dem Auftritt am Mittwochabend in Wembley nach drei Remis eine Art Mitläufer - und jetzt wieder mittendrin im Wettbewerb darum, wer die K.o.-Runde erreicht. Bayer-Chef Michael Schade betonte: „Jetzt sind alle Möglichkeiten offen.“ Sportchef Rudi Völler indes warnte, als er bemerkte: „Wir sind noch nicht durch.“
Trainer Roger Schmidt zeigte ein strahlendes Lachen, als er den so wichtigen Erfolg kommentierte. „Sehr mutig und entschlossen“ sei seine Mannschaft vor den 85 512 Zuschauern aufgetreten. „Und der Sieg hier ist etwas sehr Außergewöhnliches“, ließ Schmidt nach dem ersten dreifachen Punktgewinn seines Teams in der laufenden Königsklassensaison wissen.
Für Bayer hat Kampls Saison-Premierentreffer nach den Unentschieden gegen ZSKA Moskau (2:2), bei der AS Monaco (1:1) und im Hinspiel (0:0) gegen die Spurs nur positive Konsequenzen. „Jetzt haben wir es in der eigenen Hand. Das war unser Ziel“, erkannte Schmidt. Der Bundesligist verbesserte sich in der Gruppe E mit sechs Punkten auf den zweiten Platz hinter Monaco (acht) und vor Tottenham (vier). Moskau hat als Letzter zwei Zähler.
Für Leverkusen war es der erste Champions-League-Auswärtssieg seit dem 4. November 2014. Und ein extrem wichtiger, auch psychologisch: Jetzt wissen sie, dass sie es noch können. „Das ist die Leistung, die wir sehen wollen“, bewertete Schade die 95 Minuten von London; mit einem angstvollen Rückblick auf die letzten 60 Sekunden der Nachspielzeit: „Die letzte Minute war schlimm.“ In Monaco hatte Bayer praktisch mit dem Schlusspfiff noch den Ausgleich hinnehmen müssen.
„Natürlich denkt man daran“, kommentierte Kampl. Nun erlebte er nach eigener Einschätzung „ein bisschen die Krönung“, stellte „ein einzigartiges Gefühl“ fest. Für Bayer-Verteidiger Jonathan Tah war es schlichtweg „eine der schönsten Nächte. Das war Gänsehautfeeling. Man hat einfach nur Bock, hier zu spielen“.
Und jetzt? Kommt der Bundesligaalltag zurück. Am Samstag gegen Darmstadt 98 wird Matchwinner Kampl wegen einer Prellung am rechten Fuß sehr wahrscheinlich fehlen. Seine Kollegen müssen dann verdrängen, dass sie durchaus Großes gegen die Spurs geleistet haben. Völler forderte: „Nicht nachlassen!“ Schließlich ist dieses fast schon chronische Auf und Ab ist bei den Ansprüchen, die Bayer an sich stellt, einfach nur kontraproduktiv.