Bayer in Paris: Eine ganze Saison auf der Kippe
Vor dem Spiel in Paris hängt Leverkusen durch. Die Probleme sind vielschichtig.
Düsseldorf. Paris ist eine Reise wert. Sagt man. In Leverkusen hält sich die Freude vor dem Rückspiel am Mittwoch im Achtelfinale der Champions League bei Paris St. Germain derweil in Grenzen. Das 0:4 aus dem Hinspiel nagt an dem Club, an ein Wunder im Prinzenpark glaubt niemand. Es geht um Schadensbegrenzung in einer extrem schwierigen Situation. Bayer Leverkusen, in der Hinrunde noch Ausbund an Konstanz, droht, alle Ziele dieser Saison zu verspielen. Trainer Sami Hyypiä gerät zunehmend unter Druck, die Probleme stapeln sich. Ein Überblick.
„Der Mannschaft fehlt jegliches Selbstvertrauen“, sagt Bayer-Geschäftsführer Michael Schade, „und der Glaube, dass man in Paris und München gewinnen könnte, fehlt mir.“ Das sind ehrliche Aussagen, aber sie zeigen auch das Dilemma dieses Clubs, der seinen Profis zu häufig Ausreden schon vor den Aufgaben liefert. Dass Schade mit seiner verkündeten Erwartungshaltung einer intensiven Trainerdiskussion vorbeugen will, ist klar. Weil Trainer Sami Hyypiä ohnehin mit einer belastenden Bilanz in die Spiele gegen Paris und Bayern (Samstag, 18.30 Uhr) geht.
Von den letzten elf Pflichtspielen hat Bayer nur zwei gewonnen (gegen Stuttgart und in Mönchengladbach), acht Mal verloren und ein Remis erzielt (in Hannover). Schlimm wiegen das DFB-Pokal-Aus gegen Zweitligist Kaiserslautern und der Verfall in der Liga. Lag Bayer am 20. Spieltag noch mit sechs Punkten Vorsprung auf den Vierten Schalke auf Rang zwei, ist der Club in der Rückrunden-Tabelle nur noch Elfter — und punktgleich Dritter vor Schalke. Schade baute schon mal vor, als er davon sprach, die Europa League sei kein verfehltes Saisonziel.
Besonders auffällig: Reihenweise gehen Spiele 0:1 verloren. Es scheint, als haben sich die Gegner auf Leverkusens Spiel eingestellt, warten ab, lassen dem vermeintlich spielstarken Bayer-Team den Ball — und schlagen zu, wenn die Gelegenheit günstig ist. Ändern wird Hyypiä seine Taktik kaum, die Mannschaft ist es gewohnt zu agieren. Zuletzt scheiterte Robin Dutt mit dem Versuch, diese Monotonie zu durchbrechen.
Spieler mit Erfahrung und Alter hängen seit Wochen völlig durch. Stefan Kießlings Formkrise schlägt am härtesten durch, weil Leverkusen kaum mehr Tore erzielt, der Torschützenkönig der vergangenen Saison traf ein einziges Mal in den jüngsten 14 Spielen. 40 Treffer in 24 Liga-Spielen sind die schlechteste Ausbeute unter den Spitzenteams. Aber Kießling ist nur einer von vielen: Simon Rolfes hat seine Hinrundenform in der Winterpause komplett eingebüßt, Sidney Sam liefert nicht mehr ab, seit er einen Vertrag auf Schalke unterzeichnet hat. Nationalspieler Lars Bender quält sich durch eine für ihn trübe Saison, und auch Gonzalo Castro ist von einer stets wiederkehrenden Lethargie, die jeden Trainer in den Wahnsinn treiben muss.
Der Kader ist überschätzt, schon in der Hinrunde punktete Bayer zwar kontinuierlich, überragte aber selten. Die Schwächen der Außenverteidiger sind unübersehbar, zuletzt zählte Hyypiä gar auf die 17-jährigen Julian Brandt und Levin Öztunali. Und: Eren Derdiyok als einzige Alternative zum zentralen Kießling durchzuziehen, ist ob der Saisonaufgaben des Clubs fahrlässig.
Sami Hyypiä war sich lange nicht sicher, ob er Trainer sein will. Nun droht ihm bald die Antwort anderer. Als Bayer letztmals fünf Pflichtspiele hintereinander verlor, musste Trainer Robin Dutt gehen. Der hatte sich aber auch mit unbedachten Auftritten ins Abseits geschossen. Hyypiä hat schon wegen seines tadellosen Auftritts mehr Kredit. Die Wahrheit ist aber auch: Nach Paris und Bayern stehen Aufgaben gegen Hoffenheim, Augsburg und Braunschweig an. Dann entscheidet sich Zukunft. „Von da an ist jedes Spiel ein Endspiel“, sagt Schade. Dem Trainer scheinen die Antworten zu fehlen, er sagte zuletzt: „Ich stelle mich auf den Kopf, wenn es den Spielern helfen kann.“
“ Paris - Leverkusen Mittwoch, 20.45 Uhr/ZDF