Bayern machen sich Mut: „Wir glauben an uns“
Madrid (dpa) - Nach dem spontanen Frust und Ärger sprachen sich die so heimstarken Bayern noch in Madrid Mut für den Kraftakt beim Rückspiel zu.
Und Manuel Neuer brachte mit einer drastischen Ankündigung zum Ausdruck, wie schmerzvoll der drohende dritte Champions-League-K.o. im Halbfinale unter Pep Guardiola den FC Bayern treffen würde. Der Fußball-Weltmeister sprach nach dem 0:1 bei Atlético Madrid ein Feierverbot für den Fall des angestrebten Titelgewinns am Samstag in der Fußball-Bundesliga aus.
„Wir wollen auf jeden Fall jetzt gegen Gladbach gewinnen, planen aber keine Meisterfeier. Wir konzentrieren uns auf die Champions League, weil das ein sehr wichtiger Wettbewerb für uns ist“, sagte Neuer zu den Plänen des Münchner Starensembles in der kurzen Zeit bis zum entscheidenden Rückspiel gegen Atlético am kommenden Dienstag. „Eine große Party können wir dann hinterher machen“, sagte auch Kapitän Philipp Lahm zum möglichen Gewinn der vierten Meisterschaft in Serie.
Die Aufarbeitung des ärgerlichen Abends im Estadio Vicente Calderón machte deutlich, worüber sich der FC Bayern als Global Player sportlich definiert: Europa. Und da droht auch im dritten und letzten Jahr unter Trainer Guardiola das Aus im Halbfinale - und das wieder gegen eine Mannschaft aus Spanien: 2014 Real Madrid, 2015 FC Barcelona - und 2016 Atlético Madrid? „Mit dem Ergebnis hat man uns ohne Frage einen Stein in den Weg gelegt“, gestand Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge in seiner Ansprache beim nächtlichen Bankett.
Das Rückspiel wurde verbal schon in Spanien angepfiffen. „Es wird kein einfaches Spiel in München, aber wir würden einen Fehler machen, wenn wir mit dem Ergebnis hadern würden. Ich möchte eins sagen: Ich möchte nach Mailand!“, rief Rummenigge den Spielern im Teamhotel zu.
„Erstmal sind wir niedergeschlagen, weil wir hier ein Tor schießen und nicht verlieren wollten“, gestand Kapitän Lahm. „Aber es ist noch nicht vorbei. Wir wissen, was für eine Stimmung auch in der Allianz Arena sein kann, wenn die Fans mitgehen. Mit der Unterstützung haben wir sicher eine Chance, das Finale zu erreichen.“ Die letzten elf Königsklassenpartien haben die Bayern in ihrem „Wohnzimmer“, wie David Alaba die Heimarena nannte, gewonnen. Torverhältnis: 41:6.
„Wir glauben an uns. Wir werden alles versuchen, alles investieren. Wir wollen auf jeden Fall den Weg nach Mailand gehen“, kündigte Neuer kämpferisch an. Am 28. Mai soll in Italien das Triple vollendet werden. Thomas Müller, dessen Bankrolle heiße Diskussionen auslöste, gab allerdings zu bedenken: „Wir haben jetzt eine größere Aufgabe vor uns, als wir es haben wollten.“ Atlético bewies nach dem frühen 1:0 von Saúl Niguez (11.), wie gut es auf Ergebnis spielen kann, wie abwehrstark und gefestigt das Team von Trainer Diego Simeone ist.
„Wir haben vielleicht unsere beste Leistung gezeigt, so wie wir es in der letzten Runde gegen den FC Barcelona gemacht haben“, erklärte der heißblütige Argentinier, der mit seiner kampfstarken Mannschaft im Viertelfinale schon den Titelverteidiger ausgeschaltet hatte.
Neuer ärgerte als Torhüter besonders die spielentscheidende Szene. „In der Situation müssen wir in Überzahl besser verteidigen“, rügte er das kollektive Versagen seiner Vorderleute beim Sololauf des 21 Jahre alten Torschützen. „Die erste Halbzeit hat uns das Ergebnis kaputt gemacht“, resümierte Neuer. Auch Guardiola schob die Niederlage vor allem auf den Fehlstart. „Ich bin zufrieden mit unserer Leistung, aber du brauchst 90 gute Minuten, nicht 75“, sagte der Katalane.
In der zweiten Hälfte, als die Bayern am Drücker waren, traf David Alaba die Latte (54.). Allerdings schoss auf der Gegenseite auch Fernando Torres noch an den Pfosten (75.). Ein mögliches 2:1 hätte wegen des Auswärtstores aber eine bessere Ausgangslage ergeben.
Guardiolas Plan scheiterte. Mit Douglas Costa und Kingsley Coman auf den Flügeln wollte er das Bayern-Spiel breit machen. Seine komplette Spanien-Fraktion (Alonso, Bernat, Martínez, Thiago) bot er im Heimatland auf. Und verzichtete auf die Reife, die Mentalität, die Stärken von Müller und Franck Ribéry, die spät als „Joker“ kamen. Gerade Robert Lewandowski funktioniert im Sturm mit Partner Müller viel besser. Zusammen haben sie 16 der 28 Bayern-Tore erzielt.
„Diskutieren brauchen wir nicht, es war jetzt so“, sagte Müller zu seiner Reservistenrolle. „Und wir geben Gas im Rückspiel, dass es die Wende gibt“, kündigte der Angreifer an. Kein Verständnis hatte Ottmar Hitzfeld, der die die Bayern 2001 zum Champions-League-Titel geführt hatte. „Müller ist für Bayern wie Messi für Barcelona“, kommentierte der ehemalige Bayern-Trainer als Sky-Experte Guardiolas Maßnahme.
Die Bayern befinden sich nun in exakt derselben Situation wie im ersten Guardiola-Jahr nach dem 0:1 im Hinspiel bei Real Madrid. Damals rannten sie daheim übermotiviert ins Verderben, gingen mit 0:4 unter. „Wir sind da in Konter gelaufen. Wir haben absolut daraus gelernt, dass wir nicht in den ersten 15 Minuten jedes Ergebnis drehen müssen. Wir haben 90 Minuten Zeit“, sagte Lahm. Im letzten Champions-League-Heimspiel mit Guardiola auf der Bank müssen die Münchner zeigen, dass sie gelernt haben und gereift sind. „Wir müssen zielstrebig nach vorne spielen, dürfen aber nicht blind nach vorne rennen wie kleine Kinder“, lautete Müllers Schlusswort in Madrid.