Bayerns „großartiges Ergebnis“, aber böse Erinnerung
Manchester (dpa) - Karl-Heinz Rummenigge gratulierte den Triple-Bayern auf dem Weg ins Halbfinale zu einem „großartigen Ergebnis“. Doch nach dem 1:1 gegen Manchester United kamen auch Erinnerungen an einen der schmerzhaftesten Vereinsmomente hoch.
„Die Erfahrung haben wir gegen Chelsea damals beim Finale schon ein bisschen so gemacht“, schilderte Manuel Neuer beim nächtlichen Bankett seine Erinnerungen an den Mai 2012. Beim „Finale dahoam“ fand ein überlegener FC Bayern gegen den mauernden FC Chelsea wie auch am Dienstagabend beim 1:1 (0:0) im Viertelfinal-Hinspiel gegen United kein siegbringendes Mittel - am Ende stand der tränenreiche Endspiel-Schock.
Davon ist der Champions-League-Sieger beim historischen Titelverteidigungs-Vorhaben natürlich noch weit entfernt. Dank des Ausgleichs des später vom Platz gestellten Bastian Schweinsteiger hat der Club-Weltmeister im Rückspiel am kommenden Mittwoch in München blendende Aussichten auf das vierte Halbfinale binnen fünf Jahren. Aber trotz aller Dominanz war das Entschärfen des Münchner Star-Ensembles durch geballte Defensivkraft auch eine Warnung auf dem Weg ins dritte Endspiel in Serie am 24. Mai in Lissabon. Das aktuelle Triple-Projekt könnte schneller vorbei sein als gedacht.
„Wir wissen, dass wir uns was überlegen müssen, wie wir zu den klaren Tormöglichkeiten kommen“, sagte Neuer. Manchester habe so wie Chelsea damals gespielt, sagte der starke Keeper. Kurioserweise fiel der Treffer durch Nemanja Vidic (58.) auch diesmal nach einem Eckball.
70:30 Prozent Ballbesitz, 15:6 Schüsse - aber am Ende ein Unentschieden. „Wenn man es in einem Satz zusammenfügen möchte, würde ich sagen: Nicht gewonnen, aber dennoch sehr zufrieden. Ich glaube, das 1:1 ist ein großartiges Ergebnis“, sagte ein pragmatischer Rummenigge inmitten des rot-weiß dekorierten Saals „Worsley Suite“.
Die Gratulation des Vorstandschefs zur hervorragenden Ausgangssituation fürs Rückspiel quittierte der neben Rummenigge platzierte Trainer Pep Guardiola mit einem smarten Lächeln; im Spiel war der wild gestikulierende Spanier an der Seitenlinie weitaus weniger entspannt. „Es ist hart gegen solche Teams, die sich mit acht oder neun Spielern die ganze Zeit zurückziehen“, gestand Guardiola und fühlte sich selbst auch an die Chelsea-Taktik erinnert.
„Die wollten heute nicht mitspielen. Das war fast wie Handball ab und zu“, verglich es Arjen Robben. „Aber das 1:1 ist ein gutes Ergebnis. In einer Woche müssen wir das fertig machen.“
In Manchester unterstrichen die Münchner, dass sie ein 0:1 immerhin nicht aus der Balance bringt. Erstmals seit dem europäischen Supercup-Finale gegen Chelsea mussten die Bayern nach dem überraschenden 0:1 durch Vidic international wieder einen Rückstand aufholen. In der Champions League war das zuletzt im November 2012 beim 1:1 gegen Valencia der Fall. Und der Ausgleich (67. Minute) erfolgte gegen ManUnited spektakulär durch den Volleyschuss Schweinsteigers. Der eingewechselte Mario Mandzukic hatte auf den Nebenmann abgelegt. In 60 Pflichtspielen in Serie gelang damit immer ein Treffer der Tormaschine FC Bayern.
„Die Mannschaft hat eine sehr gute Reaktion gezeigt nach dem Rückstand und den Willen aufgebracht, zumindest noch ein Tor zu erzielen. Das ist erstmal aller Ehren wert“, analysierte Matthias Sammer nach einer Partie gegen einen „brandgefährlichen Gegner“. Im Rückspiel müsse man nun „zwei, drei Prozent“ draufpacken.
Weniger zurückhaltend war der Sportvorstand bei seiner Einschätzung von Schweinsteigers Gelb-Roter Karte (90.). „Wenn du gleiche Maßstäbe anwendest, dann weiß ich nicht, warum Manchesters Valencia drin bleibt. Auf dem Niveau musst du die gleichen Maßstäbe anwenden“, haderte der Sportvorstand. Neben Schweinsteiger fehlt nach der dritten Gelben Karte auch der Spanier Javi Martínez in einer Woche. Dafür darf Dante nach abgesessener Sperre wieder ran.
Schweinsteiger, der nach seiner Grätsche gegen Wayne Rooney länger mit dem bulligen Briten diskutierte, mochte nach dem Schlusspfiff nichts sagen. Mit zerknirschter Miene und einer Bayern-Tragetasche über der Schulter schlenderte er Richtung Bankett. „Wir müssen weiterkommen und auch für Basti und Javi alles tun, dass wir im Halbfinale wieder mit ihnen zusammenspielen können“, sagte Robben.
Ob Manchester den Münchnern am Mittwoch auch wieder mit einfachsten Mitteln wie tief verteidigen, lange Bälle nach vorne hauen und auf Standards hoffen wehtun kann? Zumindest träumen dürfen die Engländer davon. „Es wäre Wahnsinn, wenn wir sie rauskegeln könnten. Ich freue mich auf dieses Spiel“, bekundete Rooney. Keine Chance, entgegnete Philipp Lahm. „Wenn wir unsere Leistung abrufen, dann werden wir eine Runde weiterkommen.“