Blick zurück ohne Zorn - Sahin: „Mourinho ein Gentleman“
Dortmund (dpa) - Den Medienmarathon bewältigt er wie ein reifer Kosmopolit. Geduldig antwortet Nuri Sahin auf alle Fragen - meistens in spanisch, mal in englisch oder deutsch. Der Dortmunder ist vor dem Halbfinale in der Champions League gegen Real Madrid der gefragteste Interviewpartner.
Schließlich steht der Mittelfeldspieler beim Gegner noch bis 2017 unter Vertrag und wird auf der Gehaltsliste seines aktuellen Arbeitgebers nur als Leihspieler geführt. „Es ist ein ganz besonderes Spiel für mich. Ich kenne alle Real-Spieler, kenne den Trainer, den Club“, sagt Sahin.
Mit dem Wechsel im Sommer 2011 von Dortmund zum wohl berühmtesten Club der Welt erfüllte sich Sahin einen Kindheitsraum. Doch die Hoffnungen auf einen Stammplatz im Starensemble von Trainer José Mourinho entpuppten sich als Wunschdenken. Von einem verlorenen Jahr will Sahin trotz seiner Reservistenrolle in Madrid nicht sprechen. Beim Blick zurück überwiegen positive Erinnerungen. Selbst beim Thema Mourinho kommt Sahin kein kritisches Wort über die Lippen: „Er war mir gegenüber immer sehr ehrlich. Mourinho ist ein Gentleman.“
Die Rückkehr zu seinem Stammverein aus Dortmund in der zurückliegenden Winterpause über die Zwischenstation FC Liverpool empfindet er dennoch als Befreiung. Nach anfänglichen Problemen steigt die Formkurve kontinuierlich an. Beim 5:1 gegen den SC Freiburg Mitte März brillierte er gar als zweifacher Torschütze.
Nicht zuletzt deshalb gilt es als wahrscheinlich, dass Sportdirektor Michael Zorc von der mit Real ausgehandelten Option Gebrauch machen wird. Sie sieht dem Vernehmen nach einen Rückkauf im Sommer 2014 für sieben Millionen Euro vor.
Liebend gern würde Sahin sein Können nun auch gegen seinen ehemaligen Club unter Beweis stellen. Allerdings ließ Trainer Jürgen Klopp offen, ob er den Rückkehrer am Mittwoch in die Startelf beordert. Viel spricht für eine defensivere Variante mit Sven Bender. Sahin könnte es verschmerzen. „Die Jungs haben Real auch ohne mich in der Gruppenphase geschlagen“, sagte er mit Bezug auf das 2:1 der Borussia über die Königlichen vor heimischer Kulisse im Oktober vergangenen Jahres.
Sahins ohnehin große Wertschätzung für den spanischen Fußball ist in seiner Zeit bei Real noch gestiegen: „Es ist klar, dass Spanien im Moment die Nummer 1 auf der Welt ist.“ Dennoch wähnt er die Deutschen auf gutem Weg, den Iberern diese Vormachtstellung streitig zu machen: „Wenn es eine Liga und ein Land schaffen können, dann die Bundesliga und die deutsche Nationalmannschaft.“
Die beiden Halbfinalspiele in der europäischen Königsklasse zwischen dem BVB und Real sowie dem FC Bayern und dem FC Barcelona taugen als Gradmesser für das derzeitige Kräfteverhältnis. Sahin hält es für möglich, dass in Deutschland das lange Warten auf den ersten großen Triumph einer heimischen Mannschaft seit dem Champions-League-Sieg des FC Bayern 2001 bald zu Ende geht. Nur dann könne von einer Wachablösung die Rede sein: „Man muss Titel einfahren, um die Vormachtstellung einzunehmen.“