Champions League Der vergiftete Bayern-Sieg

Das 2:1 gegen Atlético hat den Bayern nicht gereicht. Trotz der furiosen Energieleistung bleibt das Werk Guardiolas unvollendet.

Immer das Halbfinale, immer wieder Spanien: Die Bayern schieden zum dritten Mal im CL-Halbfinale aus.

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München. Die Bayern waren gescheitert, aber sie hatten alles probiert. Beifall begleitete die Mannschaft vom Rasen. Bis zur letzten Sekunde der fünfminütigen Nachspielzeit hatten die Münchner daran geglaubt, den nach der 0:1-Niederlage im Hinspiel nötigen Zwei-Tore-Vorsprung gegen Atlético Madrid noch zu schaffen. Aber es blieb beim 2:1 (1:0) durch die Tore von Xabi Alonso (31.) und Robert Lewandowski (74.).

Ein vergifteter Sieg nach einem großen, dramatischen Spiel vor enthusiastischer Kulisse. Die Enttäuschung war riesig. Auch abgekochte Profis tun sich schwer, das zu verarbeiten. Lewandowskis Gesicht sah danach aus, als hätte er in der Kabine ein paar Tränen vergossen. Thomas Müller schiefes Lächeln blieb unsichtbar. Auch im dritten und letzten Anlauf unter Pep Guardiola auf den Champions League-Pokal kam das Aus im Halbfinale. Wieder gegen eine spanische Mannschaft, wieder ohne ein Auswärtstor im Hinspiel. Der große Wurf bleibt unter dem Star-Trainer versagt.

Während die Münchner Gegnerschaft nun über das Trauer-Triple spottet, wollte Guardiola keine persönliche Enttäuschung zugeben: „Ich bin traurig für die Mannschaft und die Zuschauer.“ Titel zu zählen, sei etwas für Statistiker. „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Sie hat meine Ideen vom Fußball umgesetzt. Wir hätten das Finale verdient gehabt, aber Atletico hat es auch verdient,“ sagte Guardiola. Der Katalane blickt schon auf seine Zeit in München zurück. Mit dem gewohnten Pathos: „Ich habe mein Leben gegeben, für diese Spieler zu arbeiten. Ich habe es genossen.“ Und zur Münchner Zukunft unter seinem Nachfolger sagte er: „Ich hoffe, Ancelotti kann das Niveau halten, das wir hier geschaffen haben.“

Die langgedienten Bayern-Profis hatten es wieder, dieses schwer auszuhaltende Gefühl, besser gewesen zu sein als der Gegner — und es trotzdem nicht geschafft zu haben. Der unglückliche Elfmeterschütze Thomas Müller fühlte sich an das 2012 gegen den FC Chelsea schmerzhaft verlorene „Finale dahoam“ erinnert, mit einem Unterschied: „Wir haben heute ein noch besseres Spiel gemacht.“

Gegen Atlético zeigten die Bayern ihre beste Leistung in dieser Saison. Sie agierten mit Wucht und nach Plan, mit einem überragenden Xabi Alonso als Regisseur. 35 Torschüsse verzeichnete die Statistik. „Es ist schwer, von etwas Negativem zu reden. Die Mannschaft hat sehr, sehr gut agiert“, sagte Kapitän Philipp Lahm. Aber die Münchner leisteten sich jene zwei Fehler, von denen sie wussten, dass sie bestraft werden würden. Standardschütze Müller vergab gegen den großartigen Torwart Jan Oblak einen Foulelfmeter (34.). Anders als gewohnt, guckte Müller sich den Torwart nicht aus, sondern entschied sich vorher für eine Ecke. Vermutungen, ihm sei die Coolness abhanden gekommen, bestätigte er nicht. „Gegen Bremen hab ich auch schon anders geschossen. Ich habe was umgestellt.“

Atleticos letztlich entscheidendem Auswärtstor ging ein Moment der Sorglosigkeit voraus. Beim abgefangenen Pass von Jérome Boateng war die letzte Reihe komplett in der Vorwärtsbewegung. „Bei mir fängt’s an mit dem Pass nach vorne, aber deswegen muss man kein Tor kriegen. Einer von uns hätte bleiben müssen“, sagte der Innenverteidiger. Dass Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge dem türkischen Schiedsrichter Cüneyt Cakir das Aus in die Schuhe schieben wollte („Wir fühlen uns ein bisschen betrogen“), war ihm wohl schon tags darauf peinlich. Beim 1:1 (54.) entwischte Antoine Griezmann im Moment des Passes von Fernando Torres auf gleicher Höhe mit Alaba. Dass der Referee das Foul von Javi Martinez an Fernando Torres in den Strafraum verlegte, war nicht mehr erheblich, weil Manuel Neuer den Elfmeter von Torres meisterte (84.).

Erstaunliches kam von Diego Simeone. Der so streitbare Trainer ging auf Schmusekurs mit den Bayern. „Das war die beste Mannschaft, gegen die ich in meiner Karriere gespielt habe“, würdigte er die Münchner. Er habe sich „fast verliebt“ in den Gegner. Simeone hat mit dem FC Barcelona und dem FC Bayern nun beide Topfavoriten aus der Königsklasse verabschiedet. Atlético steht zum zweiten Mal nach 2014 im Endspiel. Die Münchner werden sich nun zusammen reißen müssen. „Es ist schwierig, jetzt vom Samstag zu reden oder vom Pokalfinale. Das heute müssen wir erst einmal verdauen“, gestand Philipp Lahm.