Endlich wieder galaktisch: Real total berauscht
Lissabon (dpa) - Sami Khedira und Real Madrids euphorisierte Titel-Helden tanzten im Konfettiregen zur Feier der „La Décima“, da kündigte Vereinspräsident Florentino Pérez weitere Großtaten an.
Ganz Fußball-Europa sollte die forsche Botschaft hören: „Wir denken nun an die Undécima“, tönte das langjährige Oberhaupt der Königlichen nach dem hartumkämpften 4:1 (1:1, 0:1) nach Verlängerung gegen den tapferen Stadtrivalen Atlético. Real Madrid hat sein Selbstverständnis als Fußball-Großmacht wiedergewonnen. Noch einmal soll es nicht zwölf Jahre dauern, bis die Königlichen wieder den Titel in der Champions League gewinnen. Triumph Nummer elf in der europäischen Königsklasse soll bereits in der kommenden Saison beim Finale in Berlin her.
Die Real-Profis um den deutschen Nationalspieler Khedira, Superstar Cristiano Ronaldo oder den großen Matchwinner Sergio Ramos kümmerte die Ansage ihres Bosses in der glitzernden Nacht im Estádio da Luz (Stadion des Lichts) erst einmal wenig. Noch in der Arena starteten sie ihre Sause. Ein Teil der Mannschaft inklusive Khedira stürmte die Pressekonferenz, in der Erfolgscoach Carlo Ancelotti erzählte, was der zehnte Titel für den Club und auch ihn bedeutet. Spaniens Medien waren sich in der Real-Huldigung ohnehin einig: „Ihr Glaube und Charakter in Lissabon müssen einfach bewundert werden“, schrieb „AS“. „Madrid macht seine Legende noch größer“, kommentierte „El Pais“.
Noch in der Nacht ging es zurück nach Madrid, wo am Cibeles-Brunnen Zehntausende Anhänger im Glücksrausch ihre Lieblinge auf einem Party-Bus feierten. Riesengroß prangte auf dem Gefährt, so dass es auch ja jeder sehen konnte: LA DÉCIMA 10. Torwart Iker Casillas - einzig verbliebener aus dem Sieger-Kader von 2002 - stellte fest: „Der zehnte Champions-League-Titel mit Real ist mehr wert als der WM-Titel. Darauf haben wir alle so lange gewartet.“
Auch für Khedira war das Finale von Lissabon das Ende einer Leidenszeit. Gerade einmal sechs Monate nach seinem Kreuzbandriss stand der deutsche WM-Hoffnungsträger beim wichtigsten Spiel der Saison in der Startformation. „Es ist nicht selbstverständlich, dass ich heute auf dem Platz stehen durfte“, sagte Khedira, der in der 58. Minute für Isco Platz machen musste.
Bis dahin hatte der 27-Jährige im ersten bedeutenden Spiel nach seiner langen Pause einen Auftritt mit Licht und Schatten hingelegt. Dem Ex-Stuttgarter, der von Bundestrainer Joachim Löw im DFB-Trainingslager in Südtirol diese Woche sehnsüchtig erwartet wird, war die fehlende Spielpraxis anzumerken. Doch mit Blick auf die WM gab er sich frohen Mutes. „Vor der WM haben wir ja noch zwei, drei Spiele und ich glaube, die werden mir auch reichen.“
Aber zunächst richtete Khedira sein Augenmerk auf die Feierlichkeiten in der spanischen Hauptstadt. „Man sollte auch mal den Moment genießen“, sagte der Mittelfeldspieler, der an der Führung für Atlético ungewollt beteiligt war. Weil Khedira Diego Godín nicht am Kopfball hindern konnte und Real-Keeper Casillas falsch postiert war, ging der Außenseiter in der 36. Minute in Führung. Und das, obwohl Toptorjäger Diego Costa seinen körperlichen Zustand überschätzt hatte und bereits in der neunten Minute wieder vom Platz humpelte.
Der spanische Meister steckte den auch von Trainer Diego Simeone zu verantwortenden Personalfehler jedoch tapfer weg. Real rang bis in die Nachspielzeit um den Ausgleich. Erst dann war Bayern-Schreck Sergio Ramos mit einem wuchtigen Kopfball zur Stelle. „Das Tor war nicht nur meins, sondern von allen Madridistas, auch von meiner Frau, von meinem Kind“, sagte der überragenden Verteidiger. Bei der Siegerehrung herzte und liebkoste Spaniens König Juan Carlos - ein bekennender Real-Fan - den Matchwinner Ramos inniglich.
Wie im Halbfinale die Bayern erholte sich auch Atlético von der Ramos-Urgewalt nicht mehr. 100-Millionen-Euro-Mann Gareth Bale sorgte per Kopf für das 2:1 und das Ende der quälend langen Wartezeit auf die „La Décima“. Die Treffer von Marcelo (118.) und des insgesamt blassen Champions-League-Rekordtorschützen Ronaldo per Foulelfmeter (120.) sorgten für einen am Ende zu hohen Real-Sieg, der vielleicht auch Pérez ein wenig zu euphorisch klingen ließ.
Der Partystimmung im Real-Lager gaben die Tore zusätzliche Würze. „Ich stelle mich jetzt auf eine Nacht ohne Schlaf ein“, sagte Ancelotti. Mit dem Triumph ließ er den Schatten von Vorgänger José Mourinho gleich in seiner Premieren-Saison hinter sich. Der italienische Coach gewann als erster Trainer bereits zum dritten Mal die Champions League und wird in den Analen der Königlichen für ewig einen Platz haben. Unabhängig davon, wie lange Real auf die „Undécima“ warten muss.