Famose Abschiedstournee: BVB feiert Lewandowski
St. Petersburg (dpa) - Cool, treffsicher, unverwüstlich - die Abschiedstournee von Robert Lewandowski beim BVB wird zur verblüffenden Erfolgsstory. Wenige Monate vor seinem Wechsel nach München sicherte sich der Pole einen Eintrag in die Vereinschronik.
Mit zwei Treffern zum 4:2 (2:0) in St. Petersburg löste er Stéphane Chapuisat als bisher besten Dortmunder Europacup-Schützen ab. Unbeeindruckt vom langen Transfer-Bohei brillierte Lewandowski erneut in der Rolle eines Champions-League-Hauptdarstellers. Das nötigte BVB-Kapitän Sebastian Kehl Respekt ab: „Robert hat sich vom Theater um seine Person nie anstecken lassen.“
Das Machtwort der Borussia, Lewandowski im vorigen Sommer die Freigabe für einen vorzeitigen Wechsel zu verweigern, macht sich mehr und mehr bezahlt. Wie von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke prophezeit, spielt der bis 2014 vertraglich an den BVB gebundene Profi den verloren gegangenen Transfererlös wieder ein. Nicht nur auf dem Platz untermauerte er seinen Ruf als Musterprofi: „Ich will so viele Spiele wie möglich gewinnen. Es spielt überhaupt keine Rolle, dass ich nach der Saison weggehe.“
Bedenken, er würde sich in den Schmollwinkel zurückziehen und bis zum Vertragsende im Juni nur noch Dienst nach Vorschrift tun, sind nach Einschätzung von Sportdirektor Michael Zorc lange ausgeräumt: „Über seine Leistung muss man nicht viel reden - sie ist auch in dieser Saison richtig gut.“
Im Rampenlicht der Königsklasse fühlt sich Lewandowski besonders wohl. Mit zehn Treffer ebnete er der Borussia in der vergangenen Spielzeit den Weg ins Endspiel von Wembley. In dieser Saison steuerte er bereits sechs Treffer zum nahen Einzug ins Viertelfinale bei. Den Hinweis, dass er mittlerweile zwei Europacup-Tore mehr für den BVB als Chapuisat (16) erzielt hat, quittierte der künftige Münchner mit ungläubigem Staunen. „Wirklich? Aber das spielt keine Rolle.“ Lächelnd fügte er an: „Wir spielen weiterhin in der Champions League. Ich hoffe, dass ich noch ein paar weitere Tore schieße.“
Gut möglich, dass sein Wunsch in Erfüllung geht. Denn die Tür zum Viertelfinale steht sperrangelweit offen. Beim furiosen Start in die Partie mit dem frühesten Doppelschlag der Dortmunder Europacup-Historie durch Henrich Mchitarjan (4.) und Marco Reus (5) und bei den Toren von Lewandowski (61./71.) deckte der BVB die Schwächen des Gegners schonungslos auf. „Das ist eine sehr, sehr gute Ausgangsposition, die man nutzen sollte. Auch wenn im Fußball schon viel passiert ist“, kommentierte Zorc.
Zum bereits dritten Mal in dieser Saison gewann der BVB nur wenige Tage nach einer Bundesliga-Schlappe eine Champions-League-Partie. Anders als beim ernüchternden 0:3 drei Tage zuvor in Hamburg fand das Team zurück zu seinem hochgelobten Umschaltspiel. Das half Geschäftsführer Watzke über den jüngsten Bundesliga-Frust hinweg: „Es wäre eine fantastische Geschichte, wenn wir wieder ins Viertelfinale einziehen würden. Das würde für Nachhaltigkeit sprechen.“
Anders als Zorc und Watzke vermied Jürgen Klopp wohlweislich das Wort Viertelfinale. Ungeachtet der schwachen Vorstellung des Gegners, dem es nach der langen und noch immer anhaltenden russischen Winterpause an Wettkampfhärte mangelte, erwartet der BVB-Trainer für das Rückspiel in drei Wochen noch ein schweres Stück Arbeit: „Das war heute nah am Optimum. Aber wir haben nur einen ersten Schritt getan, mehr ist noch nicht passiert.“
Nur die Blessur von Sokratis trübte die Freude über den Sieg. Der Innenverteidiger klagte nach der Landung am Mittwochmittag in Dortmund über Schmerzen im rechten Fuß. Sein Einsatz in der Partie am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg ist deshalb fraglich: „Ich habe keine Ahnung, ob es geht. Wir werden es morgen probieren“, sagte der Grieche. Da auch ein Comeback des seit nunmehr fast drei Wochen fehlenden Mats Hummels unwahrscheinlich ist, bleibt die personelle Situation in der zentralen BVB-Defensive angespannt.
Unerfreulich waren zudem die Begleiterscheinungen der Partie. Einige BVB-Anhänger mussten nach Auseinandersetzungen mit russischen Fans in Krankenhäusern von St. Petersburg behandelt werden. Der Dortmunder Fanbeauftragte Jens Volke sprach von „50 bis 60 Übergriffen“. „Einige Fans wurden in Krankenhäusern behandelt. Ich selbst habe zwei versorgt. Bei einem musste ich einen Nasenbeinbruch richten“, sagte Mannschaftsarzt Markus Braun.