Fußball siegt über Terror Fan-Reaktion: "Es gibt schon echt Bekloppte"

Anschlag von Dortmund: Anhänger des BVB und des AS Monaco reagieren gelassen auf das Attentat — und sagen voraus, was schließlich eintritt: Die Wirkungsmacht des Fußballs siegt am Ende über den Terror.

Die BVB-Fans Manfred (r) und Davood stehen vor dem Deutschen Fussballmuseum in Dortmund. Im Hintergrund leuchtet heute das Fussballmuseum den Schriftzug „You`ll never walk alone #BVBASM“ ein.

Foto: Guido Kirchner

Dortmund. Da ist er zum ersten Mal für ein Fußballspiel nach Deutschland gereist und dann geht es so aus. Philippe Kouache ist am Dienstag schon ganz nach oben gestiegen, bis unters Dach des Westfalenstadions, da las er auf seinem Telefon die Meldung von dem Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus. „Erst dachte ich an einen blöden Scherz“, sagt der Mann aus Metz. „Dann hab ich mich nur noch noch geärgert.“

Tags darauf steht Kouache mit seinem Kumpel Didier Bauer im Deutschen Fußballmuseum in der Dortmunder Innenstadt. Sie haben sich entspannt und je eine Tüte mit BVB-Fanartikeln gekauft. „Was soll's“, sagt Kouache und zieht die breiten Schultern hoch, „jetzt bleiben wir halt ein paar Stunden länger.“ Auf dem Vorplatz jagen Jungs in schwarz-gelben und rot-weißen Shirts einen Ball durch einen Käfig mit kleinen Toren — Dortmund gegen Monaco. Ob die Profimannschaften am Abend genauso unbefangen aufspielen können?

„Tja“, seufzt Burkhard Luckow, „hängt von jedem einzelnen ab, wie er so gestrickt ist.“ Luckow, ein 67-jähriger Rentner, sitzt mit seiner Frau im „Schlemmer-Grill“ im Dortmunder Kreuzviertel, einen Steinwurf vom Stadion entfernt. Er hat in seiner Jugend bei der Borussia gekickt, noch in der ehrwürdigen Kampfbahn Rote Erde. „Da haben wir öfter mal 'ne Karte für 'n Spiel gekriegt“, sagt er und es blitzt in seinen Augen, als er von einer großen Europapokalpartie gegen Benfica Lissabon in den 1960er Jahren erzählt. Über 50 Jahre stand er auf der Tribüne. Jetzt der Anschlag auf den Bus. „Es gibt schon echt Bekloppte auf der Welt.“

Mittlerweile sehen Terroristen im Millionengeschäft Fußball augenscheinlich eine leichte Angriffsfläche. Im Grunde aber „geht es schon mit Farbbeuteln und Backsteinen los“, meint Luckow, mit der heute ganz gewöhnlichen Fußballgewalt, die den Sport häufig in ein schlechtes Licht rückt. Aus Sicherheitsgründen und auf Geheiß der Polizei durften gestern keine Rucksäcke ins Stadion mitgebracht werden. Es gab lange Menschenschlangen vor den Kontrollen. Angst habe er nach dem Attentat nicht, sagt Luckow, „eher so 'n Unbehagen“. Zur Ablenkung holt er sein Handy hervor. Neulich hat er das erste Selfie seines Lebens gemacht — mit einem Nachbarn in Herdecke, Kevin Großkreutz.

Großkreutz, ein Kind des Ruhrgebiets, hat mit Borussia Dortmund zwei Meisterschaften und den DFB-Pokal gewonnen. Er stand lange selbst auf der Südtribüne. So wie Jan Dirnberger und die jungen Männer von „Support Together“, die sich mit anderen Fanklubs auf dem Alten Markt getroffen haben. War es richtig, die Partie schon auf den Folgetag zu verlegen? Der 27-jährige Saarländer glaubt an die Wirkungsmacht des Fußballs: „Wenn der Schiri anpfeift, brennt die Hütte eh wie immer.“

Genau darauf haben sich viele Fans des AS Monaco gefreut, die bis zu 14 Stunden mit dem Auto gefahren sind, um ein Mal das „schönste Stadion der Welt“ (The Times) zu erleben. Einige Hundert waren kurzfristig gezwungen, ihre Tickets zu verkaufen, weil sie im Gegensatz zu Philippe Kouache und Didier Bauer keinen zusätzlichen Urlaubstag eingereicht haben. Francois Trancart, 28-jähriger Künstler aus Paris, hat in Bochum geschlafen, die Hotelkosten trägt der AS Monaco.

Jetzt stimmt sich Trancart mit seinen Freunden unter einem der riesigen Sonnenschirme am Alten Markt auf die Champions League ein. Sie trinken Bier, tragen Freundschaftsschals in den Farben der Europapokalgegner. Eigentlich geht hier vor den Spielen die Post ab, heute wirkt alles etwas gedämpfter. Nur ab und zu erklingt irgendwo ein Schlachtgesang. „Wir waren ziemlich enttäuscht, als wir die Nachricht im Stadion gehört haben“, sagt Trancart. An die Anschläge in seiner Heimatstadt oder in Nizza habe er jedoch nur kurz gedacht. „Es gab ja Gott sei Dank nur einen Verletzten.“ Ähnlich ging es Kouache. Ein Freund hat beim Attentat auf das Bataclan in Paris seine Tochter verloren. „Ehrlich gesagt habe ich jetzt nur das Spiel im Kopf gehabt.“

Wer in der Nacht des Dortmunder Anschlags in der Stadt geblieben ist, hat nach dem ersten Schock ein ermutigendes Bild des Fußballs gesehen: BVB-Fans nahmen Anhänger des AS Monaco in ihre Kneipen mit. Gleichzeitig verbreitete sich auf Twitter der Hashtag #Bedforawayfans, über den Schlafplätze angeboten wurden. Fotos von geselligen Abenden gingen um die Welt. „In solchen Momenten hält die Fußballfamilie zusammen“, lobte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD).

Im Westfalenstadion singen sie vor den Partien regelmäßig ein Lied, das eigentlich dem FC Liverpool gehört: „You'll never walk alone“. Am Tag des Anschlags galt es für alle Farben.