Geheimes Jubeln in Miami: „Sind neutral“
Miami (dpa) - Es wird höchstens geheim gejubelt im Ballroom des St. Regis Hotels Bal Harbour in Miami Nord, wo Joachim Löw und seine US-Reisegruppe auf einer großen Leinwand die deutsche Wembley-Show verfolgen.
Fast keiner der Trainer oder Spieler des Nationalteams wollte verraten, ob er sich am Samstag aus großer Entfernung mehr mit dem FC Bayern oder Borussia Dortmund verbunden fühlt an diesem historischen Tag für den deutschen Fußball. „Ich bin absolut neutral“, erklärte Hansi Flick auch stellvertretend für die anderen DFB-Gesandten auf die Frage, für wen sein Herz mehr schlägt.
Dabei hatte der Löw-Assistent fünf Jahre, von 1985 bis 1990, selbst das Bayern-Trikot getragen und stand mit auf dem Rasen, als die Münchner 1987 in Wien im Meistercup-Finale dem FC Porto „leider“ (Flick) 1:2 unterlegen waren. „Es sind alles Spieler von uns“, erklärte der DFB-Assistenzcoach jetzt pflichtgetreu zum aktuellen Endspiel, das habe er schon bei der Unterschrift unter seinen Vertrag beim Verband so „mitgekriegt“, meinte Flick.
Sein Chef Löw hat natürlich auch das Gesamtwohl der deutschen Kickergemeinde im Kopf: „Die Situation ist sehr erfreulich. Davon profitieren alle, die Vereine genauso wie die Nationalmannschaft.“ Für Nationalmannschafts-Neuling Max Kruse ist das „sensationelle“ Champions-League-Finale „ohnehin schon ein Erfolg für den deutschen Fußball“. Falls sich einer in dem von der Klimaanlage heruntergekühlten „Kinoraum“ des Mannschaftsquartiers doch heißblütig auf die Seite eines Finalisten schlägt, wird das wohl zu Hause keiner erfahren.
Löw sieht beim Duell seiner beiden wichtigsten Auswahl-Fraktionen „keinen ausgemachten Favoriten“. An einem Tag und in bester Besetzung könnten die Dortmunder durchaus die Bayern bezwingen, das habe der BVB mehrmals bewiesen. Doch in Bestbesetzung wird die Borussia nicht antreten, da hat ein Muskel von Mario Götze etwas dagegen.
„Wenn Götze, Reus oder Lewandowski ausfallen, ist ein Abfall der Qualität zu verzeichnen“, meinte Löw. Der FC Bayern könnte solche Lücken eher schließen, der Rekordmeister sei „breiter aufgestellt“, ergänzte der Bundestrainer, fügte aber neutral an: „Die Dortmunder haben in diesem Jahr einen Schritt nach vorn gemacht. Diese Erfahrung gegen Madrid und Manchester City wird den jungen Spielern helfen.“
Ein Machtwechsel im internationalen Fußball ist laut Löw mit dem deutschen Endspiel in der Königsklasse nicht verbunden. 2008 nach dem englischen Finale Manchester United gegen FC Chelsea habe man auch schon über die anschließende Dominanz des Fußball-Mutterlandes spekuliert. „Die Einzigen, die dominiert haben, waren die Spanier“, betonte Löw: „Wenn nächstes Jahr wieder zwei Bundesliga-Teams im Champions-League-Finale sind und wir den Titel in Brasilien gewinnen, dann kann man von einem nachhaltigen Machtwechsel sprechen.“
Jetzt aber blicken erstmal alle gespannt nach London. „Verbissen, aber fair“ erwartet der Bundestrainer die Partie und sieht „keine Probleme“, dass die Emotionen in falsche Bahnen gelangen könnten. „Beide zählen zu den Mannschaften, die versuchen, mit technischen Mitteln zum Erfolg zu kommen. Und beide müssen, wenn sie gewinnen, ihre spielerischen Fähigkeiten ausschöpfen“, sagte Löw.
„Ich sehe Dortmund gern spielen, jung und forsch nach vorn“, erklärte René Adler, der in den beiden Länderspielen gegen Ecuador am kommenden Mittwoch und gegen die USA vier Tage später die Nummer-1-Rolle des Münchners Manuel Neuer übernimmt. Aber die „souveräne Mannschaft“ der Saison sei der FC Bayern gewesen: „Man spürt einfach den unglaublichen Hunger bei ihnen.“
Wieder also alles neutral? Nicht ganz, denn Adler hatte die Vorjahrespleite und den großen Frust der Bayern im Finale gegen den FC Chelsea selbst im Stadion erlebt. „Für den deutschen Fußball und die Nationalmannschaft wäre es nicht so gut, wenn die Bayern ihr drittes Finale nacheinander verlieren würden“, glaubt der Hamburger Torwart: „Die Bayern hätten es nach der Saison und ihrer Entwicklung irgendwie verdient.“