Hecking euphorisch: „Jetzt geht es erst richtig los“
Wolfsburg (dpa) - Es schien fast, als gehöre dieser historische Erfolg nur Dieter Hecking. Nach dem erstmaligen Einzug des VfL Wolfsburg in ein Viertelfinale der Fußball-Champions-League jubelte der grippe-geschwächte Coach am meisten.
Während seine Spieler das 1:0 gegen KAA Gent am Dienstagabend auf dem Platz fast emotionslos zur Kenntnis nahmen und erst später Superlative für das Erreichte bemühten, brüllte Hecking seine Freude heraus, ballte die Siegerfaust und fiel Sportchef Klaus Allofs um den Hals.
„Man redet von historisch. Ich finde dass es ein Riesenerfolg ist, den die Mannschaft in dieser Champions-League-Saison erreicht hat“, urteilte Deutschlands Trainer des Jahres später.
Nicht nur der VfL hat schwierige Wochen hinter sich. Vor allem auch Hecking erlebte die Phase zwischen Ende November und Anfang Februar mit sieben sieglosen Spielen am Stück als Krise. Insgeheim mehrten sich bereits Stimmen, ob der bodenständige 51 Jahre alte Ex-Profi den anspruchsvollen VW-Club nach Pokalsieg, Vize-Meisterschaft und Einzug in die Champions League wieder in die Spur bringen kann. Spätestens seit Dienstagabend ist klar: Er kann. „Das ist eine Bestätigung dafür, dass man nicht so schlecht arbeitet“, befand Hecking bissig.
In der Krise war der Coach übellaunig und mitunter ungenießbar. „Ich glaube, dass das jetzt alles um einiges freundlicher aussieht“, sagte Allofs zur Situation. Diese Aussage hätte auch zu Hecking gepasst. Der Coach wirkt wie von einer Zentnerlast befreit und ist längst zurück im umgänglichen Freundlichkeitsmodus, mit dem er 2015 gepaart mit dem Erfolg viele Sympathien gewann.
Bei der Wahl zum „Trainer des Jahres“ hatte Hecking für einige überraschend die Nase vorn vor Gladbachs Lucien Favre. Anders als der VfL-Coach schmiss der Schweizer bei der Borussia in der Krise zum Beginn der Saison mit fünf Auftaktpleiten entnervt hin. Hecking hingegen führte seinen Club heraus aus dem Schlamassel bis unter die besten acht Teams Europas. „Das ist außergewöhnlich. Wir sind ja keine Stammgäste in der Champions League, wo man dann sagen kann, dass man so etwas mal erreichen muss“, meinte Allofs anerkennend.
„Wir haben eine Saison mit Wellen. Aber diese Wellen gehören für mich dazu, für den Verein dazu und auch für die Mannschaft dazu, um uns dauerhaft zu stabilisieren“, sagte Hecking, der auch am Dienstag großen Anteil am historischen Club-Erfolg hatte.
Sein Team wirkte nach dem 3:2 im Hinspiel lange gehemmt und verharrte in der Angst, Fehler zu machen und sich noch zu blamieren. Das änderte sich, als der Coach die Mittelfeld-Raute auf ein 4-2-3-1-System änderte. „Als wir umgestellt haben, wurde es besser“, sagte Stürmer Max Kruse und Siegtorschütze André Schürrle (74. Minute) meinte allgemein zur Entwicklung unter Hecking: „Wenn man die Mannschaft jetzt sieht - das ist schon wieder was anderes.“
Es scheint, als sei vor allem der Coach gestärkt aus der Krise hervor gegangen, erstaunlich selbstbewusst präsentierte er sich. „Das muss nicht das Ende sein. Wir können noch viel mehr erreichen“, betonte Hecking. „Ich bin jetzt noch nicht so weit, einen Schlussstrich zu ziehen unter diese Champions-League-Saison. Jetzt geht es erst richtig los.“
Auch für die Bundesliga soll die erfolgreiche Krisenbewältigung noch einmal einen Schub geben. Der zwischendurch auf Rang acht abgestürzte Vizemeister glaubt wieder an eine erneute direkte Qualifikation zur Champions League. „Es sind noch neun Spieltage, da werden noch jede Menge Punkte vergeben. Die Konkurrenz hat noch schwere Spiele. Da ist noch sehr viel drin. Man sollte uns nicht abschreiben“, befand Hecking: „Ich sehe uns jetzt auf einem richtig guten Weg.“