Hitzfeld siegte schon mit Bayern und Dortmund
Frankfurt/Main (dpa) - Viele Menschen würden sich wahrscheinlich ein Bein ausreißen, um bei diesem Champions-League-Finale live dabei zu sein. Allein bei Borussia Dortmund haben sich mehr als 500 000 Fans um eine Karte für das große Spiel gegen Bayern München beworben.
Nur ein Mann ist froh, dass er am Samstag in London nicht im Stadion sitzt: Ottmar Hitzfeld, jener Trainer, der sowohl mit dem BVB als auch den Bayern schonmal den Henkelpott gewann. „Ich bin lieber etwas weiter weg“, sagt der 64-Jährige. „Beide Vereine sind mir ans Herz gewachsen und waren ein Lebensinhalt für mehrere Jahre.“ Er wolle in Wembley nicht dabei gefilmt werden, wie er eine Emotion für die eine oder andere Mannschaft zeigt.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere lautet: Hitzfeld sitzt am Samstagabend als Analyst in einem Fernsehstudio, seine Geschichte als ehemaliger Trainer in Dortmund (1991-1997) und München (1998-2004, 2007-2008) macht ihn zu dem perfekten Experten für dieses Spiel. Der Nationalcoach der Schweiz ist wahrscheinlich auch der einzige Mensch auf dieser Welt, der zum großen Showdown zwischen Dortmund und Bayern noch mehr Fragen beantworten muss als die aktuellen Trainer Jürgen Klopp und Jupp Heynckes. Seit Tagen gibt Hitzfeld ein Interview nach dem anderen. Und er sieht die Sache so:
„Bayern ist Favorit, 60:40, aufgrund dieser Bundesliga-Saison“, sagte er dem „Kicker“. Man dürfe aber auch nicht vergessen: „Der Druck ist in einem deutschen Finale bei Bayern größer“, wie er der „Bild“ verriet. „Dortmund hat nichts zu verlieren. Sie haben mehr erreicht, als sie sich hätten vorstellen können. Für Dortmund ist das Finale eine Zugabe und man kann Sensationelles leisten.“
Aber ganz egal, wie das Duell auch ausgeht: Bayern und Dortmund hätten schon jetzt für „eine Wachablösung im internationalen Fußball gesorgt“, sagte Hitzfeld im „Tagesspiegel“. „Das ist ganz klar der Clásico der Neuzeit, spätestens mit diesem Finale. Dortmund war zuletzt zweimal Deutscher Meister, Bayern ist Rekordmeister. Und mit den Einnahmen der Champions League wird sich das festigen.“
Das Besondere an seiner erfolgreichen Vita ist: Hitzfeld kennt nicht nur beide Vereine sehr gut, sondern auch deren jeweilige Ausgangsposition vor diesem Finale. Als er 1997 mit der Borussia gegen Juventus Turin gewann, war der BVB genau wie diesmal eher der Außenseiter. „Wenn ich an 1997 denke, dann natürlich an die Einwechselung von Lars Ricken“, erzählte Hitzfeld dem ZDF. „Wir haben 2:1 geführt, aber es wurde nochmal eng. Er kommt als Joker rein und macht ein paar Sekunden später das entscheidende 3:1. Das sind Glücksgefühle, die man im normalen Leben nicht erreichen kann.“
Auch die Situation der Bayern kommt ihm sehr bekannt vor. Die Generation Schweinsteiger und Lahm läuft genauso einem großen internationalen Titel hinterher, wie es Effenberg, Kahn und Co. 2001 vor ihrem Erfolg gegen den FC Valencia noch taten. Nur dass das Trauma jener Mannschaft nicht Chelsea hieß, sondern Manchester United aus dem legendären Endspiel zwei Jahre zuvor. „2001 in Mailand war der Druck immens“, beschreibt Hitzfeld. „Ich hatte 1999 mit Bayern München das Finale gegen Manchester verloren - durch zwei Tore in der Nachspielzeit. Das war einer der bittersten Tage in meinem Leben.“
Der ehemalige Bayern-Coach ist sich sicher: Wenn der Verein nach dem Finale in der vergangenen Saison auch diesmal verliert, dann „ist die Enttäuschung riesig“. Dagegen spricht jedoch: „Das ist eine Weltklasse-Mannschaft. Eine so starke Mannschaft hatte Bayern noch nie.“ Noch nicht einmal zu seiner eigenen Zeit.
Und welchen Ratschlag kann Hitzfeld den beiden aktuellen Trainern noch mit auf den Weg nach London geben? „Man darf die Mannschaft nicht verrückt machen“, sagt er. „Am Ende ist es auch nur ein Spiel.“