Königsklasse „Jetzt gibt es die weiße Bestie“: Verhaltener Jubel bei Real
München/Madrid (dpa) - Auch Toni Kroos sparte nicht mit Kritik. „Wir haben nicht unser bestes Spiel gezeigt“, sagte der deutsche Weltmeister von Real Madrid nach dem 2:1 im Halbfinal-Hinspiel der Champions League bei Bayern München und sprach von einer „durchschnittlichen Leistung“.
Auch den häufig ergebnisorientierten Madrider Sportmedien fiel es am Tag nach dem Match schwer, in Jubel auszubrechen. „Zittersieg“, titelte die Zeitung „AS“, und ein Kommentator meckerte in einem TV-Sender der spanischen Hauptstadt sogar: „Das können die Jungs eigentlich besser machen.“ Dass Real als erster Club 150 Siege in der Königsklasse erreichte, zählte wenig.
Die Zurückhaltung hatte wohl nicht nur damit zu tun, dass vor dem Einzug des Titelverteidigers ins Finale von Kiew noch das Rückspiel in Madrid am nächsten Dienstag zu überstehen ist. Die Ansprüche von Fans und Medien sind nach zwei Champions-League-Titeln in Serie und drei in den vergangenen vier Spielzeiten gestiegen. Noch im April 2017 waren bei einer ähnlichen Konstellation - nach dem 2:1-Sieg von Real in München im Viertelfinal-Hinspiel - unzählige Fans singend und tanzend durch die Straßen Madrids gezogen. Am Mittwochabend blieb es in der Hauptstadt dagegen weitgehend ruhig. „Da gibt's noch nichts zu feiern“, sagte der 23-jährige Medizinstudent Marco, der gerade das Spiel mit Freunden in einer Kneipe verfolgt hatte.
Sergio Ramos kennt die hohen Erwartungen seiner Fans, die neben Siegen auch schon seit jeher „schönes Spiel“ fordern, und weiß auch, dass diese in letzter Zeit aufgrund der internationalen Triumphe weiter gestiegen sind. „Die Leute wollen, dass wir auswärts immer 3:0 gewinnen. Aber wer hat denn gesagt, dass es in München einfach werden würde?“, sagte der Kapitän des Dritten der Primera División. Während einige Münchner und auch Trainer Jupp Heynckes die Anfälligkeit der Gäste hervorhoben und sich Mut fürs Rückspiel machten, hatte der 32-Jährige allerdings eine Erklärung für die wenig überzeugende Leistung seines Teams parat: „Wenn man auswärts führt, orientiert man sich automatisch nach hinten.“
Mit der Selbstkritik darf man es aber nicht zu weit treiben, fand wohl Kroos. Vielleicht auch in Richtung der mit dem Schicksal hadernden Bayern betonte der frühere Münchner: „Es gehört am Ende dazu, die Tore zu machen. Wir haben es zweimal zu Ende gebracht, Bayern hat ein paar Chancen liegen gelassen.“ „Kann man so sagen“, antwortete der 28-Jährige auf die Frage eines Journalisten, ob man in München einen „Sieg der Effizienz“ gesehen habe. Es sei „ein hartes Stück Arbeit“ gewesen. „AS“, so etwas wie ein Hausblatt Reals, resümierte derweil das Spiel mit der Schlagzeile: „Leiden gehört dazu. Man muss zu leiden wissen, um gewinnen zu können.“
In Madrid blickt man nun auf das Rückspiel. Erinnerungen an April 2017 werden wach, als Cristiano Ronaldo & Co. nach dem 2:1 in München im Santiago Bernabéu sich in die Verlängerung zitterten, um dann mit 4:2 - auch dank umstrittener Schiedsrichter-Entscheidungen - die Oberhand zu behalten. Und man erinnert sich auch an Viertelfinalgegner Juventus, der nach dem 0:3 in Turin Real mit einem 3:1 in Madrid an den Rand einer peinlichen Pleite brachte.
Es werde sicher eng werden, meinte Kroos. „Wir stellen uns darauf ein, dass wir leiden werden.“ Ronaldo, der nach zuvor elf Begegnungen in Serie mit Torerfolg erstmals in der Champions League wieder leer ausging, hüllte sich in Schweigen, postete aber auf Twitter: „Auf geht's Team!“ Siegessicher ist nur „AS“-Starkommentator Tomás Roncero: „Die schwarze Bestie (Angstgegner) Bayern existiert nicht mehr, jetzt gibt es die weiße Bestie!“