Kein Bayern-Sieg für die Geschichtsbücher

Lille (dpa) - Unter diesen Allerweltssieg machten die Bayern ganz flott einen Haken. Beim Mitternachts-Bankett im Theatersaal des Mannschaftshotels war das beruhigende 1:0 gegen den OSC Lille schon nicht mehr das große Thema an den Tischen von Spielern, Vorstand und Edelfans.

„Es war sicherlich kein Spiel, das in die Geschichtsbücher der Champions League eingehen wird“, erklärte Karl-Heinz Rummenigge in seiner rekordverdächtig kurzen Ansprache. Hauptsache gewonnen! „Wir können auch in der Champions League hoffnungsvoll in die Zukunft schauen“, resümierte der Vorstandsvorsitzende zufrieden.

Der „Arbeitssieg“, wie nicht nur Trainer Jupp Heynckes den geschäftsmäßigen Auftritt des Bundesliga-Seriensiegers im Grand Stade Métropole überschrieb, korrigierte die kleine Schieflage der Münchner auf der europäischen Fußball-Bühne. Nach dem Ausrutscher in Weißrussland gegen BATE Borissow ist wieder alles im Lot zur Halbzeit der Gruppenphase. „Mit noch zwei Heimspielen haben wir gute Möglichkeiten“, sagte Bastian Schweinsteiger beim Ausblick auf den Dreikampf um die zwei Achtelfinal-Tickets mit dem FC Valencia und den Weißrussen aus Borissow, die ebenfalls sechs Punkte aufweisen.

Drei Zähler waren Pflicht beim Punktelieferanten aus Lille, der in zwei Wochen zum Rückspiel nach München kommt. Die Haltungsnoten waren den Bayern ausnahmsweise egal. „Man muss mit einem solchen Sieg auch mal zufrieden sein“, beschied Toni Kroos mögliche überkritische Beobachter. „Wir haben kein Spektakel gezeigt. Die Fehlpassquote war höher als gewohnt“, gestand Schweinsteiger. „Es kam kein richtiger Rhythmus ins Spiel“, bemerkte Torhüter Manuel Neuer. In Gefahr sei man aber zu keinem Zeitpunkt geraten. „Wir haben demonstriert, dass unser ganzes Defensivverhalten 1a ist“, meinte Heynckes, der seine Mannen für „europäisch cleveren Fußball“ lobte.

„Manchmal spielt man nicht gut, aber wichtig ist, dass wir die drei Punkte mitnehmen“, erklärte auch Franck Ribéry, der an seiner ehemaligen Wirkungsstätte ansonsten kaum Grund zum Lachen hatte. Von seinen Landsleute bekam er ordentlich auf die Socken, zur Halbzeit musste der kleine Franzose mit muskulären Problemen in der Kabine bleiben. „Das Risiko war dem Doktor zu groß.“ Generös sah Monsieur Ribéry seinem überforderten Gegenspieler Djibril Sidibé (20) das harte Einsteigen nach: „Der rechte Verteidiger war ganz neu, er war etwas nervös.“

Die Bayern gehen davon aus, dass ihr Star bis zum Ligaspiel am Sonntag gegen Bayer Leverkusen wieder fit ist. „Ich rechne damit, dass er bald wiederhergestellt ist“, prognostizierte Heynckes.

„Es war ein sehr hart geführtes Spiel von Lille“, beklagte auch Schweinsteiger die körperbetonte Gangart der spielerisch doch sehr limitierten OSC-Truppe. Beim Foul des 19-jährigen Lucas Digne an Philipp Lahm, das zum spielentscheidenden Elfmeter von Thomas Müller führte (20.), war ebenfalls Unbedarftheit im Zweikampf im Spiel.

Nach den Elfmeter-Dramen im verlorenen Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea und dem Fehlschuss von Mario Mandzukic beim 2:1 im ersten Gruppenspiel gegen den FC Valencia entpuppte sich Müller als eiskalter Hund vom Punkt. „Ich hatte mir eigentlich für meinen ersten Elfmeter eine druckfreiere Ausgangslage gewünscht. Aber ich war dann eigentlich doch sehr cool“, sagte Bayerns neuer Schütze Nummer eins.

Entspannt trat die Münchner Reisegruppe am Mittwochvormittag die Rückreise aus dem Norden Frankreichs an. „Es war das erste Spiel der Saison, wo wir richtig Druck hatten. Wir haben den Kampf angenommen und unsere Pflicht erfüllt“, resümierte Müller. Auch Heynckes warb um mildernde Umstände für die im Vergleich zum rauschenden Liga-Betrieb fußballerische Magerkost auf dem ramponierten Rasen des nagelneuen EM-Stadions für 2016: „Bundesliga ist nicht Champions League!“