Keller auf Schalke: „Druck von Anfang an groß“

Thessaloniki (dpa) - Eigentlich hat Jens Keller einen der schönsten Jobs im deutschen Fußball-Geschäft, doch so richtig genießen konnte Schalkes Cheftrainer die Freuden der Arbeit wohl noch nicht.

Vom ersten Tag an musste der 42 Jahre alte Schwabe gegen Widerstände kämpfen, mit Unwägbarkeiten klarkommen, Skeptiker überzeugen und gleichzeitig die Profis des FC Schalke 04 erfolgreich führen, um klar definierte Ziele erreichen. Ein mehr als schwieriger Spagat, bei dem man sich leicht eine Zerrung zuziehen kann.

„Die Mannschaft und ich standen von Anfang an unter Druck. Das ist für mich keine ungewohnte Situation, damit muss man bei einem großen Verein wie Schalke klarkommen“, sagt Keller stets, wenn er auf den großen Erfolgsdruck angesprochen wird. Auch vor dem wichtigen Playoff-Rückspiel bei PAOK Saloniki kamen immer wieder diese Fragen. Nach dem Druck, dem Zustand des Teams, seiner Zukunft.

Keller wahrt stets die Contenance, obwohl er immer ein wenig genervt und traurig dreinschaut. „Auch vor dem letzten Bundesligaspieltag in Freiburg war der Druck extrem groß, weil wir Vierter werden mussten. Da sind wir mit dem Druck gut umgegangen“, betont der Trainer. Schalke gewann damals im Breisgau, schaffte den Qualifikationsrang zur Champions League. Ziel erreicht. Alles gut?

Nicht auf Schalke. In dieser Spielzeit wollte der Schwabe die Früchte der Arbeit ernten. Manager Horst Heldt, der seinen Kandidaten im vorigen Dezember noch kurz vor der Winterpause, zwei Tage vor dem dann verlorenen Pokal-Achtelfinale in Mainz installierte, stellte Keller zu Saisonbeginn den erfahrenen Co-Trainer Peter Hermann zur Seite. Der 61-Jährige gilt in der Branche als personifizierter Erfolg. Mit ihm schaffte Jupp Heynckes das Bayern-Triple. Zuvor lieferte Hermann jahrelang vor allem in Leverkusen und Nürnberg hoch geschätzte Arbeit ab.

Die von Heldt verpflichteten Neuzugänge schienen perfekt zu passen: Adam Szalai kam für acht Millionen Euro als Huntelaar-Alternative aus Mainz, Felipe Santana für eine Million als vierter gestandener Innenverteidiger neben Höwedes, Matip und dem lange verletzten Papadopoulos aus Dortmund. Dazu holte Heldt die deutschen Toptalente Leon Goretzka (Bochum) und Christian Clemens (Köln). Auch der verliehene Tim Hoogland kehrte zurück.

So konnte eigentlich nichts schiefgehen mit dem Trainer-Duo Keller/Hermann. Doch es ging alles schief: Ein äußerst dürftiges 2:0 in der ersten Pokalrunde beim Fünftligisten (!) FC Nöttingen, ein schmeichelhaftes 3:3 zum Bundesliga-Start daheim gegen einen - wie man jetzt weiß - schwachen HSV, eine 0:4-Klatsche in Wolfsburg, ein mageres 1:1 gegen das spielerisch limitierte Stevens'sche Griechen-Ensemble, und ein von zwei Platzverweisen begleitetes 1:2 in Hannover. Erschwerend hinzu kommt die Verletzung von Torjäger Klaas-Jan Huntelaar, der gegen den HSV zweimal traf und noch Wochen fehlt.

Wenn überhaupt, bot die Elf, die den Anspruch eines Spitzenteams hat und sich auf Augenhöhe mit Bayern-Verfolgern wie Dortmund oder Leverkusen wähnte, bislang mal vernünftige 45 Minuten. Mal eine akzeptable erste, mal eine vielversprechende zweite Hälfte. Oder es gelang eine starke Anfangsphase, ein beeindruckender Schlussspurt. Aber eine konzentrierte und spielerisch gute Leistung des gesamten Teams über 90 Minuten? Fehlanzeige. Bilanz: Ein Punkt aus drei Spielen, Platz 16 und immer gleichklingende Analysen und Ausreden.

Angesichts des Programms in den kommenden Wochen muss einem Schalke-Fan Angst und Bange werden. Am Samstag ist Bayer in der Arena zu Gast. Die Neun-Punkte-Truppe von Sami Hyypiä dominierte bisher alle Gegner, und Schalke muss ohne Kapitän Höwedes und Fuchs auskommen. Nach der Länderspielpause folgen in der Liga die Partie in Mainz und das Heimspiel gegen die Bayern.

Man muss kein Schwarzmaler sein, um Schlimmes zu befürchten. Und es ist kein Wunder, dass öffentlich über eine Alternativ-Lösung auf der Trainerposition spekuliert wird. Bis Samstag bekam Keller eine Arbeitsplatzgarantie. „Ja, selbstverständlich“, sagte Heldt vor dem Spiel in Thessaloniki auf die Frage, ob Keller gegen Leverkusen auf der Bank sitzt. Doch längst geistern Namen wie Stefan Effenberg, den Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies schon im Winter wollte, oder Heldt-Spezi Markus Babbel durch Gelsenkirchen. Keller bleibt äußerlich gelassen. „Ich kann nur meinen Job so gewissenhaft wie möglich machen.“ Aber reicht das?