Königsklassen-Therapie: BVB bereit „für dreckige Siege“
Istanbul (dpa) - Zumindest für einen kurzen Moment scheint die Dortmunder Fußball-Welt wieder in Ordnung: Nach der erfolgreichen Therapiestunde in der Champions League wähnten sich alle Borussen auf gutem Weg aus der Krise.
„Wir werden keine Räume mehr hergeben. Ab jetzt sind wir bereit auch für dreckige Siege“, versprach Jürgen Klopp vollmundig. Nicht nur der BVB-Coach wertete das beachtliche 4:0 (3:0) über Galatasaray Istanbul als Mutmacher für die Bundesliga. „Wir haben endlich wieder wie Borussia Dortmund gespielt“, befand Abwehrspieler Sokratis, „für uns ist jetzt die Zeit gekommen, um eine Serie zu starten“.
Nach zuletzt drei Niederlagen in der Meisterschaft und dem Sturz auf Rang 14 trumpfte die Borussia in der türkischen Metropole wieder ähnlich souverän wie in alten Zeiten auf. Tore von Pierre-Emerick Aubameyang (6./18. Minute), Marco Reus (41.) und Adrian Ramos (83.) ebneten den Weg zum höchsten Sieg in der Dortmunder Champions-League-Geschichte. Von ausgelassener Freude konnte dennoch keine Rede sein. „Das alles zählt nichts, wenn wir Samstag nicht gegen Hannover gewinnen“, kommentierte Weltmeister Mats Hummels mit ernster Miene.
Noch in der Kabine schwor sich das gesamte Team nach Auskunft von Mittelfeldspieler Sebastian Kehl auf die nächste Aufgabe im Problemwettbewerb Meisterschaft ein. Klopp nutzte gleich die erste Gelegenheit, seine Profis an den derzeit wichtigeren Wettbewerb zu erinnern. Wie auch kurz nach der Landung am Nachmittag in Dortmund: „Nur noch zweimal schlafen, dann geht schon wieder die Post ab.“
Naheliegende Fragen nach der Diskrepanz zwischen den Leistungen in der Champions League und der Bundesliga empfand Hummels als tendenziös: „Das gibt es in keiner Mannschaft, dass sie sich nur auf einen Wettbewerb konzentriert. Diese Sachen werden von Außen erzählt.“ Doch die Unterschiede sind markant: Als eines von nur zwei Teams neben dem AS Monaco kassierte der BVB in den bisherigen Gruppenspielen der Königsklasse noch kein Gegentor. Auf nationaler Ebene hatte Torhüter Roman Weidenfeller dagegen bereits 14 Mal in nur acht Spielen das Nachsehen.
Diese Bundesliga-Horrorbilanz veranlasste Klopp zu einem ähnlichen Schachzug wie Bundestrainer Joachim Löw beim WM-Triumph in Brasilien. Die Entscheidung für drei Innenverteidiger in der Viererkette machte sich bezahlt. So schlug sich Sokratis auf der für ihn ungewohnten Position als linker Außenverteidiger prächtig. Und weil sich seine offensiveren Mitstreiter aktiver als zuletzt an der Defensivarbeit beteiligten, kam Galatasary zu kaum einer Chance. Zur Freude von Neven Subotic: „In der 80. Minute habe ich Marco Reus hinten grätschen sehen. Wenn wir so weitermachen, sind wir schwer zu schlagen.“
Am Samstag wird sich weisen, ob der BVB wirklich reif ist für den avisierten Neustart. Ähnliche Hoffnungen hatte es auch schon nach dem 3:0 Anfang Oktober beim RSC Anderlecht gegeben. Drei Tage später setzte es eine unerwartete 0:1-Heimschlappe gegen den Hamburger SV. Hummels glaubt nicht an eine Duplizität der Ereignisse: „Wir wollen zeigen, dass wir alle Wettbewerbe beherrschen.“
Anders als in der Bundesliga steht der BVB in der europäischen Königsklasse prächtig da. Der Einzug in das Achtelfinale scheint bei bereits acht Punkten Vorsprung auf Anderlecht und Istanbul ausgemachte Sache zu sein. Einzig der drei Punkte entfernte FC Arsenal könnte dem Revierclub den Gruppensieg noch streitig machen. Mit solchen Rechenspielen wollte sich Klopp jedoch nicht befassen: „Wir stehen unter hohem Druck - dem müssen wir standhalten.“
Ob Klopp mit Sven Bender planen kann, blieb vorerst offen. Der Mittelfeldspieler stürzte in Istanbul unglücklich auf den Arm und zog sich eine Nervenquetschung und Stauchung des linken Ellenbogens zu. Ein Einsatz am Samstag sei nicht ausgeschlossen, teilte der BVB mit. Darüber hinaus klagten Hummels und Shinji Kagawa über muskuläre Probleme. „Aber ich habe die Hoffnung, dass beim morgigen Training wieder alle dabei sind“, sagte Klopp. Eng wird es für Erik Durm. Der am Oberschenkel verletzte Außenverteidiger konnte auch zwei Tage vor der Partie gegen Hannover noch nicht mit der Mannschaft trainieren.