Leverkusen siegt und spielt sich frei
Leverkusen. Karim Bellarabi machte einen sehenswerten Haken, jetzt hatte er freie Bahn. Aber er wartete, er schoss nicht, Miguel Angel Moya im Tor von Atletico Madrid hatte gebannt Stellung genommen, Aktion abgebrochen, die Zuschauer raunten.
Zu früh. Von der Seite überlief Hakan Calhanoglu seinen Mitspieler, Bellarabi kickte ihm den Ball mit der Hacke in den Lauf. Jetzt zögerte niemand mehr, Calhanoglu drosch das Leder mit rechts und Urgewalt in die Maschen. 1:0, 57. Minute, die BayArena stand Kopf, immerhin führte hier der Gastgeber gegen den letztjährigen Champions-League-Finalisten. Und hatte mit der Führung eine überaus engagierte und spielstarke erste Hälfte gekrönt, in der Emir Spahic das Leder an die Latte geschossen und Leverkusen Atletico Madrid dominiert hatte.
Zum richtigen Zeitpunkt scheinen sie unter dem Bayer-Kreuz erkannt zu haben, dass ein klares Bekenntnis trotz Ergebniskrise aus der Bundesliga durchaus beflügeln kann. Zu einem Zeitpunkt, an dem das Team in der Liga die Weichen stellen muss, sich in der Champions League in die Kür gegen Atletico Madrid wirft — und im DFB-Pokal das ehrgeizige Ziel Titelgewinn verfolgt. Am Dienstag kommt Zweitligist Kaiserslautern in die BayArena, jene Lauterer, die im vergangenen Jahr an gleicher Stelle Endstation waren - danach war auch der Trainer Sami Hyypiä schnell Geschichte. Jetzt könnten die Dinge anders laufen. Sportdirektor Rudi Völler hat Trainer Roger Schmidt mit einem klaren Bekenntnis gestärkt, und die Leverkusener Mannschaft hat sich am Mittwoch Abend sehenswert und noch dazu vor einem Millionenpublikum im ZDF freigespielt.
29079 Zuschauer sahen, wie die Gastgeber, die ohne die Routiniers Stefan Kießling und Simon Rolfes ins Rennen gegangen waren, eine Dominanz ausübten, die sie durch das gesamte Spiel hindurch bewahrten. So ist es am Ende allein ärgerlich, dass man sich zwei Wochen vor dem Rückspiel im Estadio Vicente Calderon nicht ein noch dickeres Polster als jenes 1:0 angelegt hat. Das nämlich wäre drin gewesen. Auch, weil Madrids Tiago in der 76. Minute die Gelbe Karte gesehen hatte und Madrids Sturm auch nach der Einwechslung des spanischen Welt- und Europameisters Fernando Torres weitgehend harmlos blieb. Mit einer Ausnahme unmittelbar vor der Pause: Da hatte Leverkusens zuletzt so geplagter Torwart Bernd Leno den Sieg gegen Atletico mit einer sensationellen Parade gegen eben jenen Tiago gerettet. Dass bei den Gastgebern auch die Viererkette mit Roberto Hilbert, Kyriakos Papadopoulus, Emir Spahic und Wendell funktionierte und so der Gala-Sturm von Atletico mit Antoine Griezmann und Mario Mandzukic weitgehend nicht stattfand, ist ein weiterer Fortschritt, von dem die Gastgeber zehren sollten.
Nicht nur im Rückspiel, in dem den Madrilenen Godin und Tiago Gelb gesperrt fehlen werden. Überhaupt war es ein durchaus hartes Spiel: Neun Gelbe und die eine Gelb-Rote Karte blieben unter dem Strich. Zuletzt hat es Schmidt geschafft, auch die Seele der Routiniers noch zu streicheln: Rolfes kam für den nach seiner Verletzung ausgepumpten Lars Bender ins Spiel, Kießling für Josip Drmic. Das änderte nichts mehr am Ergebnis, aber vielleicht an der Moral der Leverkusener für die kommenden Wochen.