Neustädter in Schalker Schaltzentrale gesetzt
Gelsenkirchen (dpa) - Als Gladbachs Trainer Lucien Favre im Sommer neben Marco Reus und Dante auch Roman Neustädter ziehen lassen musste, griff er zu einem vielsagenden Vergleich. „Wir haben unseren Messi, unseren Xavi und unseren Piqué verloren“, sagte der Schweizer.
Mit Xavi, dem spanischen Mittelfeldstar vom FC Barcelona, auf eine Stufe gestellt zu werden, dürfte dem zu Schalke 04 abgewanderten Neustädter sicher schmeicheln, aber auch irgendwie unangenehm sein.
Denn der 24 Jahre alte Stratege gilt als stiller Star ohne Allüren. Lobhudeleien sind ihm eher peinlich. Neustädters Eitelkeit beschränkt sich vorwiegend auf die Pflege seiner Frisur und das Tragen mitunter extravaganter Mode. Vor dem Pokalspiel gegen Sandhausen sorgte der dunkelhaarige 1,90-Meter-Mann für ein großes Hallo, als er in der Kabine im weinroten, eng geschnittenen Anzug und schwarzer Glitzerweste auftauchte: Schalkes „next Topmodel“.
Die Partie gegen Sandhausen (3:0) war bisher die einzige der 18 Saison-Pflichtspiele, die Neustädter verpasste. Und dies nur, weil Trainer Huub Stevens dem Dauerbrenner angesichts des Mammutprogramms auch einmal eine schöpferische Pause gönnen wollte. Allein das dokumentiert, dass der lauf- und zweikampfstarke Neu-Nationalspieler aus der Schalker Schaltzentrale nicht mehr wegzudenken ist.
Die vielen Vorzüge und das große Potenzial des defensiven Mittelfeldspielers hat auch Bundestrainer Joachim Löw erkannt, der Neustädter im Länderspiel in den Niederlanden (0:0) debütieren ließ. „Ich habe Roman mehrfach beobachtet. Es ist beeindruckend, wie souverän er sich auf Schalke präsentiert und durchgesetzt hat“, lobt Löw. Neustädter verfüge über „sehr gute technische Fähigkeiten“ und „insgesamt hohe Qualität“, so der Bundestrainer.
Gut, dass Neustädter nun für andere Nationen nicht mehr infrage kommt. Denn auch der EM-Mitgastgeber 2012, die Ukraine, hätte den 1988 in Dnjepropetrowsk (Ukraine) geborenen und in Kirgisistan aufgewachsenen Fußballer gern in seinen Reihen gehabt. Vater Peter Neustädter - ein Russlanddeutscher - war 1992 mit seiner Familie nach Mainz gekommen. Peter Neustädter spielte einst beim Karlsruher SC und dann beim FSV Mainz 05, wo er auch Söhnchen Roman anmeldete.
Dessen Weg war schnell vorgezeichnet. Bis 2006 spielte er in der FSV-Jugend, dann zwei Jahre in der zweiten Mannschaft, bevor er 2009 mit Mainz den Bundesliga-Aufstieg schaffte. Nach drei Jahren in Gladbach lotste Manager Horst Heldt den ablösefreien Profi nach Schalke, wo er auch höchsten Ansprüchen in der Champions League genügt. Stevens und Heldt schätzen Neustädter nicht nur wegen seines sportlichen Wertes. „Roman ist nicht nur ein toller Fußballer mit großer Übersicht und tollen Pässen, sondern er hat auch einen exzellenten Charakter“, meint Heldt.
„Ich versuche mich stets in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Wenn mir das gelingt, bin ich zufrieden“, betont Neustädter, der dem Prototyp eines modernen Profis entspricht: intelligent und bescheiden, dennoch selbstbewusst und zielstrebig. Dass er trotz aller professionellen Einstellung gemeinsam mit Freundin Mona, einer Psychologin, das Leben auch genießen will, dokumentiert ein Tattoo auf seinem Oberarm in kyrillischer Schrift: „Sterben muss jeder, aber nicht jeder lebt.“