Real im Mourinho-Stil: „Die Herren des Konters“
Madrid (dpa) - Fans und Medien jubelten, und auch Spaniens König war aus dem Häuschen. Real-Trainer Carlo Ancelotti war gegen die Bayern mit einer Defensiv-Taktik erfolgreich, aber das störte in Madrid niemanden.
Sogar König Juan Carlos geriet im Stadion ins Schwärmen. Obwohl Spaniens Fußball-Rekordmeister Real Madrid beim 1:0 gegen den FC Bayern München im Halbfinal-Hinspiel vor eigenem Publikum ultradefensiv spielte und sich einer - wenn auch meist wenig bedrohlichen - Dauerbelagerung ausgesetzt sah, gab es nach dem ersten Akt dieses Champions-League-Klassikers keine einzige kritische Stimme. Die Fans der „Königlichen“ und auch die Madrider Medien waren begeistert. Auf sein teueres Offensivpersonal konnte sich Real ohnehin verlassen.
„Wir haben sehr gut gespielt. Die Besseren haben gewonnen“, rief der spanische Monarch im Bernabéu ausgelassen vor TV-Kameras. Die Real-Fans jubelten nach dem Abpfiff, als sei die Endspiel-Teilnahme ihrer Kicker-Lieblinge bereits gesichert und das Rückspiel am kommenden Dienstag in München nur Formsache. Die gruppendynamische Defensivarbeit wurde gefeiert wie ein Kunstwerk. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis“, meinten auch Innenverteidiger Sergio Ramos und Spielmacher Isco unisono. Stürmerstar Cristiano Ronaldo versprach den Fans: „Wir wollen in München mindestens ein Tor schießen, und ich glaube, dass wir das auch schaffen.“
Der Starkolumnist der Sportzeitung „As“, Tomás Roncero, schrieb, Bayern könne mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. Ein Real-Sieg mit zwei oder drei Toren Unterschied „wäre gerechter gewesen“. Das Konkurrenzblatt „Marca“ erhob die Angreifer um Cristiano Ronaldo und Torschütze Karim Benzema (19.) gar zu „Herren des Konters“. Der FC Bayern, so die Zeitung „Sport“, habe sich als eine „schlechte Kopie des FC Barcelona“ präsentiert. Der frühere Barça-Coach Pep Guardiola könne „gleich die kugelsichere Weste anziehen“, denn er werde in München sicher mit Kritik überhäuft werden, hieß es.
Für Real-Trainer Carlo Ancelotti gab es derweil nur Lob. Dabei hatte er bei seinem Amtsantritt im vergangenen Sommer noch vollmundig „schönen Fußball“ versprochen. Gegen die Bayern benutzte der Italiener allerdings jene Mauertaktik, auf die sein in Madrid viel kritisierter Vorgänger José Mourinho vor allem gegen mutmaßlich stärkere Gegner so gerne zurückgreift.
Nach der Zitterpartie wurde Ancelotti von einem spanischen Journalisten gefragt, ob er denn in München „wieder den Ball verschenken“ und den Münchnern weitgehend die Spielanteile überlassen wolle. „Ich verschenke ihn nicht gerne. Es ist klar, dass Du den Ball nicht das gesamte Spiel unter Kontrolle haben kannst. Fußball ist nicht nur Kontrolle, er ist auch Abwehr, Konterspiel“, antwortete der 54-Jährige.
In die Ecke gedrängt wurde der Mann, der als Trainer gegen die Bayern bisher keine einzige von sieben Begegnungen verloren hat, nur bei einem Thema: Torhüter Iker Casillas. Das 32-jährige Club-Idol, das in der 85. Minute bei einem Schuss von Mario Götze mit einer glänzenden Parade den Sieg festhielt, soll bereits auf der Suche nach einem neuen Verein sein, weil er unter Ancelotti - wie zuletzt unter Mourinho - in der Liga die Bank drücken muss. „Samstag (gegen Osasuna) spielt wieder Diego (López)“, sagte der Coach auf die immer wiederkehrende Frage irritiert. Nur in diesem Punkt droht Ancelotti derzeit Gegenwind - Casillas wird bei Real wie ein Heiliger verehrt.