Stolze Bayern glauben weiter an Finale
Madrid (dpa) - Für Pep Guardiola gab es einen anerkennenden Klaps auf die Schulter, dann erhob sich Karl-Heinz Rummenigge zur mitternächtlichen Kampfansage.
Im rötlichen Licht des Bankettsaals hielt sich der Vorstandschef nicht lange mit dem bitteren 0:1 im Halbfinal-Hinspiel bei Real Madrid auf, sondern schwor das Team gleich auf den zweiten Teil des Champions-League-Klassikers am Dienstag ein. „Wir werden ihnen zeigen, dass Bayern München eine Qualität hat zu Hause, die schon ein bisschen an eine Hölle erinnert“, sagte Rummenigge, der fest an die Chance zur historischen Titelverteidigung glaubt: „Eine Niederlage ist immer so viel wert, wie man reagiert - und am nächsten Dienstag werdet Ihr reagieren!“
Mit aufmunterndem Beifall wurden Guardiola und sein in der Königsklasse auswärts erstmals seit September 2012 bezwungene Team von den Edelfans zur nächtlichen Stunde begrüßt. Dem Coach huschte bei dem besonders starken Applaus für ihn ein Lächeln über das Gesicht - auch wenn bei einem Aus die Kritik selbst ihn stark treffen könnte. Guardiola äußerte sich zufrieden über den Auftritt seines Ensembles im Fußball-Tempel der Königlichen, obwohl er während der Partie frustriert seine Wasserflasche auf den Boden geworfen hatte.
„Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft. Die meisten bekommen Angst in Bernabeu, wir hatten keine Angst“, sagte der Spanier und wählte wie sein Chef eine drastische Formulierung. „Es geht um Leben und Tod, wir müssen ins Finale kommen.“
Nach der pünktlichen Landung aus Madrid bekamen die Bayern-Profis einen Tag frei bis zum Abschlusstraining am Freitagnachmittag für das Bundesliga-Spiel gegen Bremen.
Auf dem Weg zum Final-Hattrick der Münchner mit dem Endspiel am 24. Mai in Lissabon habe er nun mehr Optimismus als vorher, behauptete Guardiola. 64:36 Prozent Ballbesitz, 15:3 Ecken, 16:9 Schussversuche - fast alle Zahlen sprachen am Mittwoch bei der Niederlage im Halbfinal-Hinspiel für den Titelverteidiger. Nur eben die wichtigsten nicht. Ein Tor Madrid, null Tore München. „Zum Ballbesitz muss nun der gnadenlose Abschluss kommen“, forderte Sportvorstand Matthias Sammer. „Noch keine Bayern-Mannschaft hat Real Madrid so dominiert. Wir haben mit Dominanz das Spiel bestimmt, aber nicht das Ergebnis.“
Bevor Rummenigge die 430 Bankettgäste zum Buffet mit Meeresfrüchte-Paella oder Kalbsmedaillons einlud, schwärmte er von einem „unglaublich interessanten, emotionalen und sehr intensiven Champions-League-Spiel.“ Nur das Ergebnis schmeckte keinem Fan im Saal. „Natürlich ist das 0:1 kein Wunschergebnis, aber ich bin weit davon entfernt zu sagen, das ist nicht zu korrigieren. Ich glaube, wenn es nächsten Dienstag zum Rückspiel kommt, dann wird in München der Baum brennen. Dann werden wir 70 000 hinter der Mannschaft stehen haben“, versicherte Rummenigge.
Die Herausforderung ist riesig. Reals Trainer Carlo Ancelotti („Wir haben jetzt einen kleinen Vorteil“) muss an der gewinnbringenden Taktik des Hinspiels nicht viel ändern. Hinten ließ der Italiener geschickt verteidigen, in der Offensive spielten Cristiano Ronaldo & Co. ihre Extra-Klasse aus. „Du verlierst den Ball, zwei, drei Pässe und der Ball liegt im Tor. Das ist eine supergefährliche Mannschaft“, warnte Arjen Robben. Er sei aber „voller Vertrauen“, die vierte Final-Teilnahme in fünf Jahren zu schaffen.
Die größte Torgefahr strahlten die Bayern vor 79 283 Zuschauern erst in der Schlussphase bei Möglichkeiten durch die eingewechselten Thomas Müller (81.) und Mario Götze (84.) aus. Ansonsten tat sich der Club-Weltmeister wie schon beim 1:1 im Viertelfinal-Hinspiel gegen Manchester United gegen die tief gestaffelten Madrilenen sehr schwer. „Wir treffen nicht auf irgendeine Mannschaft, wo man sich mal locker auswärts acht Torchancen erarbeiten kann“, wiegelte Kapitän Philipp Lahm kritische Nachfragen zu mangelnden Möglichkeiten ab. „Ich denke, dass wir genügend Torchancen hatten, um ein Tor zu erzielen.“
Von einem einschläfernden Ballgeschiebe wie in der Endphase der Schaffensperiode von Louis van Gaal sind die Bayern zwar noch weit entfernt, Esprit und Überraschungsmomente fehlen aber schon jetzt oftmals. Auch, weil Franck Ribéry auf dem linken Flügel komplett aus dem Rhythmus ist. Der sensible Feingeist wurde nach einer schwachen Leistung allerdings erst in der 72. Minute gegen Götze ausgetauscht.
Guardiola musste sich hinterher die Kritik gefallen lassen, zu lange am derzeit formschwachen Instinktfußballer festgehalten zu haben. Bekommt das Image des bisher unantastbaren Starcoaches erste Kratzer oder zieht er doch als großer Triumphator ins Finale ein? Nach dem Gewinn der Meisterschaft im Rekordtempo hatte der Katalane durch eine Radikalrotation für ein Stocken des Bayern-Motors gesorgt und dies hinterher als möglicherweise falsch eingeräumt. „Vielleicht“, sei es ein Fehler gewesen.
Oder ist gar der „Pep Code“ geknackt? Über das Resultat war kein Bayern-Star glücklich, die Spielweise stimmte die Champions-League-Sieger aber zuversichtlich für das Rückspiel. „Es gab, glaube ich, selten eine Mannschaft, die so dominant hier gespielt hat in Madrid“, hob Toni Kroos hervor. „Wir spielen nicht bei irgendeiner Gurkenmannschaft, das ist Real und wir hatten 64 Prozent Ballbesitz“, betonte auch Jerome Boateng, der sich beim 0:1 durch Karim Benzema (19.) zuvor von Fábio Coentrão abkochen ließ. Lahm beteuerte, das Ergebnis bei so viel Ballbesitz sei nicht frustrierend, alles sei noch drin. Allerdings: In zehn Heimspielen gegen Real glückte dem deutschen Rekordmeister nur dreimal ein Resultat, das nach dem 0:1 zum Weiterkommen reichen würde.
„Aber wir haben noch alle Möglichkeiten, weil die Mannschaft die Qualität hat, zu Hause mit zwei Toren Unterschied zu gewinnen“, sagte Lahm. „Wir glauben daran, dass wir noch nach Lissabon fahren“, erklärte auch Torhüter Manuel Neuer trotz des „blöden Ergebnisses“.
Im Vorjahr wurden in der K.o.-Runde der Königsklasse Heimsiege ohne Gegentor eindrucksvoll eingefahren. Die Bayern schickten damals im Viertelfinale Juventus Turin mit 2:0 nach Hause, den FC Barcelona im Halbfinale mit 4:0. Beides allerdings im Hinspiel. „Es wäre jetzt kein Wunder, wenn wir ein 1:0 noch umdrehen“, entgegnete Thomas Müller gelassen. Den Frust über seine Reservistenrolle wollte er nicht groß thematisieren, aber die Unzufriedenheit war spürbar.