Reifer und selbstbewusster: Madrid verändert Özil

Madrid (dpa) - Die Meisterschaft ist so gut wie gelaufen, aber in der Champions League rechnen sich Mesut Özil und Real Madrid noch etwas aus. Am Dienstag kommt Tottenham Hotspur zum Viertelfinal-Hinspiel in die spanische Hauptstadt.

Dort hat sich Özil längst einen Namen gemacht.

Nun sitzt der deutsche Nationalspieler in einem Lokal in La Moraleja, dem Luxusviertel, wo die meisten Spieler Real Madrids ihren Wohnsitz haben. Auch Emmanuel Adebayor schaut kurz rein, zwinkert dem Ex-Bremer zu. Beide lachen entspannt. „Wir sehen uns beim Training“, ruft der Togoer. „Super Typ“, sagt Özil. Draußen scheint die Sonne.

Im Leben des 22-Jährigen geht neuerdings alles sehr schnell, er macht in Spanien entscheidende Erfahrungen. Erst im August wechselte Özil zu Real Madrid, heute ist er die große Sensation beim mächtigen Fußballclub der spanischen Hauptstadt - und soll nach der wohl verpassten Meisterschaft nun im Champions-League-Viertelfinale gegen Tottenham Hotspur für einen Erfolg sorgen.

„Mesut Özil wird bei Real Madrid dieses Jahrzehnt prägen“, sagt Generaldirektor Jorge Valdano. Das Sportblatt „Marca“ schrieb kürzlich von „der Ära Nemos“ - so der Spitzname Özils - und stellte damit sogar Cristiano Ronaldo hinten an.

In der deutschen Nationalelf wird Özil weiter „Mess“ gerufen. Doch in Madrid erinnert das zu sehr an Lionel Messi, den großen Star des Erzrivalen FC Barcelona. Wegen der großen Augen rufen seine Spielerkollegen den Ex-Bremer deshalb „Nemo“ - in Anspielung auf den Clown-Fisch aus dem bekannten Trickfilm.

„Noch habe ich nichts erreicht“, sagt Özil im Interview der Nachrichtenagentur dpa bescheiden. „Ich bin natürlich auf einem guten Weg. Als ich hierher gewechselt bin, wusste ich, was für ein Potenzial ich habe. Dafür habe ich hart gearbeitet“, fügt er hinzu.

Der 22-Jährige spricht weiterhin mit sehr leiser Stimme. Aber seine Worte wirken immer selbstbewusster. Zwischen dem schüchternen und mikrofonscheuen Özil von vor sechs Monaten und dem selbstsicher auftretenden Özil von heute liegen 42 Spiele, zehn Tore, 16 Torpässe und viel Applaus im Bernabéu-Stadion.

Der Mittelfeldstar und große Bewunderer von Zinédine Zidane hat sich in Madrid schnell eingewöhnt. Er genießt es, bereits Anfang April in kurzen Ärmeln auf den Terrassen der teuren Restaurants seines Viertels sitzen zu können. Es ist nicht schwer, dort auch andere Fußballer, Fernsehstars oder Unternehmer anzutreffen.

Seit mit seiner Freundin Anna-Maria Schluss ist, lebt Özil alleine. Was nicht bedeutet, dass er einsam wäre. Özil ist es wichtig, seine Angehörigen um sich zu haben. Das mag an seinen türkischen Wurzeln liegen, auch wenn seine Familie bereits in dritter Generation in Deutschland lebt.

Seine Pünktlichkeit ist absolut deutsch. Diese Mischung hat ihn in seinem Land zu einem multikulturellen Symbol werden lassen. Er mag das: „Auf jeden Fall. Meine Eltern kamen aus der Türkei, ich bin in Deutschland geboren. Ich freue mich, dass ich beide Kulturen kennengelernt habe.“

Was die spanische Kultur angeht, muss Özil sich noch zurechtfinden. Der Reggae-Ton, der durch die Real-Madrid-Kabine schallt, klingt für ihn wie Flamenco. Die Sprache fällt ihm auch noch etwas schwer, ein Privatlehrer hilft ihm. Das ist aber weiter nicht schlimm. Wenn alles so läuft wie bisher, gibt ihm sein Vertrag mindestens sechs Jahre Zeit, in die spanische Lebensart einzutauchen.