Roberto Di Matteo hatte genug

Gelsenkirchen. Roberto Di Matteo hatte genug. Der Trainer des FC Schalke 04 stand auf und verließ wortlos den Raum der Pressekonferenz. Diese spontane Reaktion war zwar auch als Scherz auf die vielen Nachfragen gemeint, hatte allerdings einen ernsthaften Hintergrund.

Roberto Di Matteo hatte genug
Foto: Caroline Seidel

Di Matteo hatte ganz andere Sorgen als den Umstand, wer in seinem Team nun eigentlich als Strafstoßschütze vorgesehen ist. „Wir haben zwei Schützen“, hatte der Trainer zuvor uneindeutig geantwortet.

Am Ende schnappte sich Eric-Maxim Choupo-Moting nach einer kurzen Diskussion mit seinem Kollegen Klaas-Jan Huntelaar den Ball und vollendete in der dritten Minute der Nachspielzeit zum überaus glücklichen 4:3 im Champions-League-Spiel gegen Sporting Lissabon. „Ich glaube unsere Fans und die Zuschauer hatten heute mehr Spaß als ich“, sagte der Italiener zuvor, als er noch deutlich auskunftsfreudiger war. Für den neuen Mann auf Schalke schien dieses Spiel wie eine Querschnitt der vor ihm stehenden Saison zu sein. Seine Mannschaft zeigte gegen die Portugiesen einige passable Momente, aber auch wieder Phasen, in denen es vollständig drunter und drüber ging. „Wir brauchen ein bisschen Zeit, um die Mentalität und die Organisation zu verbessern“, sagte Di Matteo.

Der Trainer ist vor gut einer Woche angetreten, um dem Ruhrgebietsklub eine klare Struktur zu verleihen. Das Spiel gegen die Portugiesen dürfte ihm allerdings deutlich gezeigt haben, dass er in diesem Fach wenig fundamentales Wissen bei seinen Spielern voraussetzen kann und er vor allem mit der Grundlagenarbeit beginnen muss. „Wir haben nach dem 3:1 den Faden verloren und sind unsicher geworden“, sagte der Trainer. Seine Überraschung über diese Mängel und auch der Hilflosigkeit seiner Spieler in diesem Momenten waren dem Trainer anzusehen. Seine Mannschaft war in dieser Partie immer wieder in alte Muster der Ziellosigkeit zurückgefallen.

Beim Debüt von Di Matteo gegen Hertha BSC in der Bundesliga hatte sie es noch geschafft, sich über die gesamte Dauer zumindest an die Defensivtaktik zu halten. Bereits im zweiten Spiel unter dem neuen Trainer zeigte sich wieder die offenbar tief in der DNA dieser Mannschaft verwurzelte Orientierungslosigkeit, die immer dann um sich greift, wenn die Konzentration innerhalb eines Spiels auch nur ein wenig nachlässt. Plötzlich laufen die Spieler scheinbar ziellos über das Feld und wissen nicht, welche Aufgaben sie selbst aber auch ihre Nebenleute haben.

Exemplarisch dafür war die Situation nach 78 Minuten beim Ausgleich zum 3:3, bei dem gleich zwei Portugiesen im Schalker Strafraum völlig ungedeckt blieben. Dabei agierte das Di-Matteo-Team seit Mitte der ersten Hälfte in Überzahl. „Wir sind in dem Moment zwar viele Spieler im Strafraum, aber keiner ist bei den Gegenspielern“, urteilte der Trainer. Das es diese massiven Probleme im Schalker Team gibt, ist allerdings eine Folge der der vergangenen Jahre und keine plötzlich aufkommende Problematik. Unter den zahlreichen Trainern nach dem Abschied von Ralf Rangnick im September 2011 gab es bei den Königsblauen keinen Leitfaden und keine eindeutig erkennbare Spielstruktur mehr, an denen sich die Spieler in schwierigen Situationen entlang hangeln konnten.

Das ständig veränderte Team half sich dann meist selbst mit großer Improvisationskunst und den individuellen Fähigkeiten über die hohen Hürden hinweg. Ein ausgeprägtes mannschaftstaktisches Verhalten spielte zumeist nur eine untergeordnete Rolle. Gegen Sporting Lissabon half den Spielern schier der Faktor Glück. In dieser Gemengelage muss sich Di Matteo nun erst einmal zurechtfinden. Der 44-Jährige dürfte noch deutlich mehr Arbeit vor sich haben, als es ihm lieb ist. „Wenn man so ein Spiel als Trainer analysieren muss, dann wird man wahnsinnig“, sagte der Trainer.