UEFA-Chef Platini ist ein Bundesliga-Fan
London (dpa) - Das hatte den Engländern kurz vor dem deutschen Champions-League-Finale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München in ihrem Heiligtum Wembley gerade noch gefehlt. Michel Platini - im Mutterland des Fußballs ohnehin kritisch betrachtet - outete sich als Fan der Bundesliga.
„Ich mag, was in Deutschland passiert. Man kann nicht mehr als 50 Prozent eines Clubs verkaufen“, sagte der UEFA-Präsident der englischen Zeitung „The Guardian“. Die Bundesliga-Vereine hätten „das richtige System“, empfahl der Franzose den mit Fremdkapital aus der Golfregion und Amerika vollgepumpten Premier-League-Clubs praktisch durch die Blume das deutsche Modell.
Wie zu seinen sportlichen Glanzzeiten in den 80er Jahren mit dem Ball am Fuß versteht es der Franzose nun auf dem Funktionärsparkett, verbale Nadelstiche zu setzen. Nicht umsonst gilt er als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von FIFA-Präsident Joseph Blatter. Seine Lieblingsthemen treibt Platini auch in seinem siebten Jahr im UEFA-Amt mit Verve voran. Kampf gegen Rassismus, Kampf gegen Wettbetrug und last but not least die Schuldenkontrolle Financial Fair Play. Die Bundesliga sehnt sie herbei, in England könnte sie aber manchem privat massiv alimentierten Top-Verein wie Manchester City oder dem FC Chelsea Schwierigkeiten bringen.
Die Zeitung „The Telegraph“ bezeichnete Platini als „Zuchtmeister von Nyon“ - zumindest die Premier-League-Clubs müssten ihn so sehen, meinte das Blatt. Ein Instinkt-Mensch soll er sein, so ein weiterer englischer Vorwurf. Nein, erwiderte Platini, Instinkt sei animalisch, er handele gerne intuitiv. Und mit Charme, das steht fest.
Immer noch kommt der 57-Jährige ohne größere Englischkenntnisse aus. Eine Frage auf Englisch zu beantworten, wurde er am Freitag nach dem UEFA-Kongress von einem lokalen Hörfunkreporter gebeten. „Aber nein“, wiegelte Platini mit einem ansteckenden Grinsen ab. Wenn er auf Französisch antworte, mokierten sich die Engländer, antworte er aber auf Englisch, lachten ihn, „wegen meines komischen Akzents“, die Franzosen aus. „Ich ziehe es vor, in England unbeliebt zu sein, als in Frankreich lächerlich gemacht zu werden.“
In London war bei Platini wieder einmal diese gewisse positive Unruhe zu spüren. Die Tage rund um das Champions-League-Finale sind auch seine Tage. Bevor er in der Royal Box in Wembley Platz nehmen sollte, waren schließlich noch viele Botschaften zu verkünden.
Eine davon: Wer ihn wegen seiner Stimme für die umstrittene Katar-WM 2022 und das vorangehende Turnier 2018 in Russland kritisiert, bekommt eine verbale Breitseite. „Es war okay. Korruption, na, na, na. Ich habe nicht für Katar und Russland gestimmt und nach einer Gegenleistung gefragt“, sagte Platini. Auch das berufliche Engagement seines Sohnes in Katar oder der Einfluss des französischen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy in der Region habe mit seiner Stimmabgabe nichts zu tun. „Eine WM in Katar ist gut für die Welt, ist gut für die Menschheit“, meint Platini.
Gespielt werden soll das Turnier in neun Jahren aber in jedem Fall im Winter. An diesem Punkt dürfte auch bei der Bundesliga, die Freude über das Platini-Lob verflogen sein. Erst am Mittwoch hatte Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga, in London den Weltverband FIFA massiv kritisiert. In drei Spielzeiten seien die Termine durch eine Winter-WM neu zu organisieren. Platini meint: Nur für einen Monat müsste in der WM-Saison der Betrieb in den Ligen verschoben werden. Und überhaupt: Warum spiele man nicht einfach immer im Kalenderrhythmus? „Es ist wegen Euch, den Engländern, das im Winter gespielt wird. Ihr habt entschieden: Rugby und Fußball im Winter, Cricket im Sommer“, sagte er dem „Guardian“.
Eine beruhigende Nachricht hatte Platini dann aber doch noch für die Engländer parat: Trotz des rein deutschen Finals erwartet er keine anhaltende deutsche Dominanz in der Champions League. „Es ist zyklisch. In einem Jahr ist man stärker, abhängig vom Trainer, den Spielern, den Schiedsrichtern. Wer immer auch gewinnt, ist das beste Team des Jahres und ich gebe dem Sieger den Pokal. In der Champions League gibt es keine schlechten Mannschaften.“