Weidenfeller brilliert im Bernabéu
Madrid (dpa) - Roman Weidenfeller ballte die Faust zum Jubel und ließ sich auf den Rasen fallen, an seiner Seite sank Cristiano Ronaldo mit leidender Miene zu Boden. Hier der herausragende Dortmunder Rückhalt, dort der wieder einmal auf dem Weg zum großen Ziel gestoppte Superstar von Real.
Die Szene stand sinnbildlich für einen denkwürdigen Fußball-Abend im Estadio Santiago Bernabéu. „Finale hört sich so an, dass man es eigentlich noch nicht glauben kann“, sinnierte der Dortmunder Torhüter mit glücklich strahlenden Augen, „aber wir haben es geschafft. Es ist einfach geil.“ Der 32-Jährige selbst hatte trotz der zwei Gegentore beim 0:2 (0:0) im Halbfinal-Rückspiel bei Real Madrid riesengroßen Anteil am Erfolg.
Weidenfeller setzte vor den 69 429 Zuschauern in Spanien seine bärenstarke Königsklassen-Saison fort. Ob in der Anfangsphase gegen Gonzalo Higuain oder den großen Ronaldo selbst oder kurz vor dem Schlusspfiff gegen Karim Benzema - immer war er auf dem Posten. Machtlos musste er dennoch Gegentore durch Benzema (83. Minute) und Sergio Ramos (88.) hinnehmen. „Er hat sie mit seinen Paraden im Spiel gehalten“, lobte der frühere Nationaltorhüter Jens Lehmann den Nie-Nationaltorhüter via Sky. „Wunder! Wahnsinn! Weidenfeller!“, pries die „Bild“ den Borussia-Schlussmann mit der starken Ausstrahlung.
Im Überschwang des großen Glücks dachte Weidenfeller zusammen mit Mittelfeldmann Sebastian Kehl und Sportdirektor Michael Zorc auch an dunklere Stunden der Vereinshistorie zurück. „Wir haben uns eben in den Armen gelegen und haben uns ganz kurz gezwickt, dass das wirklich die Realität ist. Dass wir damals in Aachen den Abstieg verhindert haben, genauso wie wir heute im Champions-League-Finale stehen - das ist der pure Wahnsinn“, frohlockte der nach Kehl zweitdienstälteste BVB-Profi. Gerade einmal sechs Jahre liegt das Spiel gegen die Alemannia zurück, als sich Dortmund durch ein 4:1 neues Leben im Abstiegskampf einhauchte. Und jetzt? Jetzt winkt in London am 25. Mai die größte Trophäe im Club-Fußball.
War vor einem Jahr Manuel Neuer der gefeierte Bayern-Held im Elfmeterschießen von Madrid und brachte sein Team ins „Finale dahoam“, so gratulierten diesmal die Dortmunder Feldspieler Weidenfeller. Dass er nach Oliver Kahn beim 1:0 des FC Bayern im Jahr 2001 nicht als zweiter deutscher Torwart ohne Gegentreffer im Madrider Fußball-Tempel blieb, war Weidenfeller reichlich egal. Ebenso die Gelbe Karte wegen Spielverzögerung kurz vor dem Schlusspfiff, denn eine Sperre im Endspiel zieht diese Verwarnung nicht nach sich.
Die Atmosphäre im Bernabéu-Stadion scheint Weidenfeller zu behagen. Zwar flogen nicht wie in den 80er Jahren bei Jean-Marie Pfaffs überragendem Halbfinal-Auftritt mit den Bayern Eisenstangen, Batterien und Steine, aber hitzig war es allemal. Weidenfeller blieb einmal mehr cool: Schon im Gruppenspiel beim 2:2 war es ihm zu verdanken gewesen, dass die Borussia nicht untergangen war.
Bei Bundestrainer Joachim Löw, der zusammen mit seinem Assistenten Hansi Flick am Dienstagabend mit verdunkelten Scheiben vorgefahren kam, steht der verlässliche Weidenfeller trotz solcher Auftritte nicht übermäßig hoch im Kurs. Zum einen ist er mittlerweile im fortgeschritteneren Torwartalter, zum anderen erfreut Löw die Spielweise der sehr starken Konkurrenz mehr. Eine Auszeichnung hat Weidenfeller dank der Nichtberücksichtigung durch Löw aber sicher: Trainer Jürgen Klopp soll den Dortmunder Schlussmann schon als den besten Torhüter, der nie in einer Nationalmannschaft gespielt hat, bezeichnet haben.