Chile fühlt sich als Sieger

Stuttgart (dpa) - Die Verlierer fühlten sich zurecht als Sieger. Trotz der unerklärlichen Niederlage gegen Titelkandidat Deutschland schöpfte Chile große Hoffnung für die WM.

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„Ich bin zufrieden, weil wir sehr gut gespielt haben“, resümierte Mittelfeldstar Arturo Vidal. „Unser Auftritt gibt uns Zuversicht für Brasilien.“ Nationaltrainer Jorge Sampaoli lobte seine Schützlinge für die couragierte und leidenschaftliche Vorstellung. „Bis auf das Resultat war alles positiv. Wir haben das Spiel zu 80 Prozent dominiert. Wenn wir bei der WM so spielen, haben wir gute Chancen aufs Achtelfinale.“

Chile war dem Team von Bundestrainer Joachim Löw beim letzten Härtetest vor der Kadernominierung für die Fußball-WM trotz des 0:1 (0:1) in allen Belangen überlegen - bis auf den Abschluss. Mit gutem Spielaufbau, perfektem Pressing, taktischer Disziplin, ausgeklügelter Strategie und variablem Offensivspiel bereitete „La Roja“ dem dreifachen Champion Riesenprobleme. „Wir haben den Gegner beherrscht und hätten klar gewinnen müssen“, konstatierte Sampaoli zufrieden. „Wir haben gezeigt, dass wir mit den besten Mannschaften der Welt mithalten können.“

Schließlich hatten die Südamerikaner zuvor schon gegen England (2:0), Spanien (2:2) und Brasilien (1:2) eindrucksvoll bewiesen, dass sie Top-Niveau haben. In Brasilien bekommt es Chile in der wohl am stärksten besetzten Gruppe B mit den beiden WM-Finalisten Spanien und Niederlande sowie Australien zu tun. „Die Leistung gegen einen der Mitfavoriten stimmt uns für die WM optimistisch“, sagte Kapitän und Abwehrchef Gary Medel entspannt.

Dabei stand am Mittwochabend in Stuttgart nicht einmal die stärkste Formation auf dem Platz. Einerseits wollte Sampaoli potenzielle WM-Kandidaten gegen einen nur vermeintlich starken Kontrahenten testen. Andererseits fehlten auch dem argentinischen Coach einige Stammkräfte. Davon war nichts zu spüren. Im Gegensatz zu den Deutschen hatten die Chilenen keinerlei Abstimmungsprobleme. „Unser Spiel hatte ein gutes Niveau“, urteilte der starke Stürmer Eduardo Vargas.

Allein die eklatante Abschlussschwäche gab Anlass zu Kritik. „Wir hatten zwölf klare Torchancen“, sagte Sampaoli. Darauf angesprochen, dass dieses Dutzend eigentlich für Siege in fünf, sechs Partien hätte reichen können, nickte er mit etwas angesäuerter Miene zustimmend: „Es ist positiv, dass wir so viele Chancen kreiert haben.“ Negativ sei halt, dass Chile kein einziger Treffer geglückt sei.

Vargas war nach einem dieser schnellen und präzisen Vorstöße mit einem Knaller an die Lattenunterkante (61.) dem mehr als verdienten Ausgleich am nächsten. Vidal hatte zuvor aus acht Metern kläglich vergeben (26.). Aber auch Barcelonas Alexis Sánchez oder Charles Aránguiz boten sich mehrere beste Möglichkeiten. Weil sie Mario Götzes schlitzohrigen Schlenzer zum 0:1 (16.) nicht mehr korrigieren konnten, waren die Chilenen auch ein bisschen traurig, wie Sampaoli, Vidal und andere einmütig einräumten.

Der vier Jahre lang für Bayer Leverkusen spielende Vidal versicherte, eine Niederlage nach so vielen eigenen Chancen und einer solchen Dominanz sei ihm in seiner bisherigen Karriere nur einmal passiert: „Mit Juventus Turin in der Champions League.“ Johnny Herrera nahm das paradoxe Ergebnis indes mit Galgenhumor hin. „Mir passiert das mit meinem Team immer: Wir haben viele Chancen und schießen keine Tore“, sagte der Torhüter von Universidad de Chile grinsend. Bei Götzes Treffer hatte der Vertreter des verletzten Stammkeepers und Kapitäns Claudio Bravo keine Abwehrchance.