Deutscher Sport macht Druck auf FIFA
Zürich (dpa) - Die Spitze des deutschen Sports hat endgültig genug von den Machenschaften der FIFA. DFL-Chef Christian Seifert forderte UEFA-Präsident Michel Platini mit drastischen Worten zum Handeln auf und sieht die Deutsche Fußball Liga nicht mehr vom Fußball- Weltverband repräsentiert.
DOSB-Präsident Alfons Hörmann wetterte gegen die Verschleppungstaktik rund um die umstrittene Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland (2018) und Katar (2022). „Die ganze Sache ist sehr unerfreulich. Es wäre schön, wenn dieser ganze Vorgang der Vergabe irgendwann geklärt, sauber kommuniziert und schließlich beendet wird“, sagte Hörmann der Deutschen Presse-Agentur und ergänzte mit einem Seitenhieb gegen FIFA-Präsident Joseph Blatter: „Jede Organisation hat die Führung, die sie verdient.“
Angesichts der größten Krise in der 110-jährigen Geschichte der FIFA sieht auch Seifert dringenden Handlungsbedarf. „Man weiß nicht mehr, ob man sich wundern oder fremdschämen soll“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga der „Süddeutschen Zeitung“). „Als seriöse Organisation fühlt man sich von dieser FIFA nicht mehr vertreten, man fühlt sich da auch nicht mehr zugehörig.“
Ligapräsident Reinhard Rauball hatte zuletzt sogar eine Abspaltung der Europäischen Fußball-Union UEFA von der FIFA ins Spiel gebracht, der frühere englische Verbandspräsident David Bernstein hatte über einen WM-Boykott gesprochen. „Ich stimme voll zu, dass man sich dringend Maßnahmen überlegen muss“, erklärte Seifert dazu, nahm allerdings in dieser Frage den UEFA-Präsidenten in die Verantwortung: „Aber eines scheint dabei klar zu sein: Der Einzige, der wirklich den Schlüssel in der Hand hält, ist Michel Platini.“
DOSB-Chef Hörmann räumte ein, dass das derzeitige Chaos in der FIFA durchaus Einfluss auf die Bewerbung von Berlin oder Hamburg um die Olympischen Spiele 2024 haben könne. „Alles, was da an Negativem kommt, birgt die Gefahr, dass der Bürger nicht sauber zwischen den Organisationen trennt“, sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Auch die deutsche Politik befürchtet negative Auswirkungen auf die deutsche Olympia-Bewerbung. In Briefen an DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und den FIFA-Spitzenfunktionär Theo Zwanziger fordern Abgeordnete der Grünen eine vollständige Veröffentlichung des Reports von Chefermittler Michael Garcia. Anderenfalls bleibe die FIFA „ein Synonym für Intransparenz, Korruption und Vetternwirtschaft“, heißt es in den Schreiben von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und dem sportpolitischen Sprecher Özcan Mutlu.
Darüber hinaus monieren sie, dass der „Eindruck fehlender Selbstkontrolle internationaler Sportverbände einen langen Schatten auf die Diskussion um eine Bewerbung Deutschlands für Olympische Spiele“ werfe.
Von einem Schlussstrich unter die peinlichen Vorgänge rund um die Korruptions-Ermittlungen kann jedenfalls trotz des Freispruchs durch den deutschen Richter Hans-Joachim Eckert vor Wochenfrist keine Rede sein. Nach dem Spitzentreffen der beiden viel gescholtenen Ethikhüter Garcia und Eckert am Donnerstag in der Zentrale des Weltverbandes in Zürich geht nun auch FIFA-Exekutivkomitee-Mitglied Zwanziger in die Offensive.
Der frühere Präsident des Deutschen Fußball-Bundes forciert die Veröffentlichung des Garcia-Untersuchungsberichts und nimmt seine Kollegen aus der FIFA-Regierung in die Pflicht. „Nach den Irritationen der vergangenen Tage ist es wichtig, möglichst bald Erkenntnisse über den Untersuchungsbericht Garcias zu gewinnen“, sagte Zwanziger dem Internetportal „FAZ.net“.
Aktuell verbietet Artikel 36 im FIFA-Ethikreglement eine Veröffentlichung. „Dieses Verbot möchte ich lockern, damit das FIFA-Exekutivkomitee, aber auch die Öffentlichkeit in einer angemessenen Form über die Inhalte der Untersuchung unterrichtet werden“, sagte Zwanziger. Dabei müssten allerdings die Rechte von Betroffenen gewahrt werden. Über den Antrag soll die Exekutive bei ihrer nächsten Sitzung am 18. Dezember in Marokko abstimmen.
Die mit Spannung erwartete Aussprache von Chefermittler Garcia und dem deutschen Richter Eckert mündete am Donnerstagabend in einer gemeinsamen Erklärung der zerstrittenen Protagonisten. Garcia hatte bei der FIFA-Berufungskommission Einspruch gegen Eckerts Urteil eingelegt. Dieser hatte die WM-Gastgeber 2018 und 2022 vom Vorwurf der Korruption freigesprochen und damit weltweit Empörung ausgelöst.
Dass sich nun in Domenico Scala ein weiterer FIFA-Kontrolleur mit der Sache beschäftigen soll, wirft gleich mehrere Fragen auf: Spielen die Beteiligten auf Zeit? Soll die Wiederwahl von Präsident Joseph Blatter im Mai 2015 nicht mit FIFA-unerfreulichen Erkenntnissen gefährdet werden? Wann herrscht Klarheit darüber, was vor der Wahl im Dezember 2010 passierte? Gegen wen ermittelt die Untersuchungskammer?
Die Korruptionsbekämpferin Sylvia Schenk sieht die Personalie Scala mit deutlicher Skepsis. „Es geht darum juristisch herauszufiltern, was darf veröffentlicht werden. Wie sich da ein Nicht-Jurist zurechtfinden soll, ist mir schleierhaft“, sagte die Frankfurterin, die bei Transparency International Deutschland die Arbeitsgruppe Sport leitet, bei Sky Sport News HD. Es sei unzumutbar, dass das Exekutivkomitee „nur gefilterte Aussagen“ bekomme. Der ehemalige FIFA-Integritätsberater Mark Pieth warnte davor, dass Exko-Mitglieder selbst in dem Garcia-Bericht vorkommen könnten und an einer Aufklärung nicht interessiert wären: „Das wäre eine Peinlichkeit mehr“.
Eine Annäherung zwischen Garcia und Eckert fand während der mehrstündigen Unterredung im Home of FIFA jedenfalls nicht statt. Nun soll der komplette 430-seitige Bericht von Garcia an Scala gehen. Der Wirtschaftsexperte aus der Schweiz soll dann entscheiden, ob das Exekutivkomitee Einblick in den vollständigen Bericht erhält.
„Er veranlasst danach alle dafür nötigen Schritte“, hieß es in einer von der FIFA verbreiteten Mitteilung am Donnerstagabend. Wie lange das dauert und wann ein neues Kapitel in der unsäglichen WM-Saga aufgeschlagen wird, ist damit offener denn je. Auch Blatter-Gegenspieler und Präsidentschaftskandidat Jérôme Champagne glaubt, dass das Thema WM in Katar „noch längst nicht beendet“ ist. „Ich rechne bis Mai noch mit Überraschungen, die Einfluss auf die Wahl haben können.“ Grund dafür sei, dass „das FBI und auch die Schweizer Bundesanwaltschaft ermitteln. Das zeigt ja, dass offensichtlich noch nicht alles aufgeklärt ist“, sagte Champagne.