DFB-Pokal Fußball: Großkreutz spielt erstmals gegen seinen BVB
Der 27 Jahre alte Weltmeister hat Borussia Dortmund mitgeprägt. Am Dienstag trifft er mit dem VfB Stuttgart im DFB-Pokal-Viertelfinale auf seine ewige Liebe.
Stuttgart. Kevin Großkreutz gegen Borussia Dortmund — das klingt noch immer etwas skurril. Lange hätte man das gar nicht für möglich gehalten: Dass der ehemalige Dortmunder Südkurven-Fan, der die Skyline der Ruhrpott-Metropole eintätowiert auf dem Unterschenkel trägt und zusammen mit Jürgen Klopp lange das Gesicht des Vereins war, gegen den BVB spielt. „Ich brenne und freue mich“, sagt er vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale am Dienstag in Stuttgart gegen Dortmund. Und Großkreutz spielt für die Schwaben.
„Für mich ist das ein ganz besonderes Spiel, das ist kein Geheimnis.“ Dortmund und der BVB waren und bleiben Großkreutz’ große Liebe. „Ich habe 27 Jahre dort gelebt. Das ist immer mein Zuhause.“ Aber in Stuttgart fühle er sich auch schon „sehr wohl“, schob er sofort nach.
Großkreutz hat gelernt. Sein Abenteuer in Istanbul bei Galatasaray war eine Farce, weil er wegen eines Formfehlers beim Wechsel erst gar nicht spielen durfte und dann gleichsam die Integration zu verweigern schien. Ein Profi mit Vorschrift nach Dienst, der bei jeder Gelegenheit nach Dortmund ausbüxte — das passte nicht in die verrückte türkische Fußball-Mentalität. Und eigentlich passt es auch nicht zu Großkreutz. Jetzt muss er beweisen, dass er auch außerhalb Dortmunds funktionieren kann. Ein Anfang ist gemacht.
Schließlich haben die — einschließlich des Pokalerfolgs gegen Braunschweig — seit sieben Spielen ungeschlagenen und zuletzt viermal in Serie siegreichen Stuttgarter wieder an Selbstvertrauen gewonnen. Großkreutz hat sich als eine Million teurer rechter Verteidiger mit Weltmeister-Status schnell etabliert. „Man merkt, dass er Erfahrung hat, die er bei der Nationalmannschaft und bei Dortmund gesammelt hat“, sagt Mitspieler Christian Gentner. „Er hat ein gutes Gespür, er wird nicht gleich nervös in kritischen Situationen. Stand jetzt ist er eine sehr, sehr gute Verstärkung.“
Sportdirektor Robin Dutt streicht den absoluten Einsatzwillen und Kampfgeist des Weltmeisters heraus: „Wir haben jetzt eine gewisse Mentalität, für diese Mentalität steht Kevin.“ Das ist vielleicht das Beste, was Spieler und Verein bekommen können: Sich gegenseitig wieder ein Gesicht zu geben. Kaum eine Mannschaft hatte ein, zwei Fixpunkte für ein durchaus talentiertes Ensemble mehr gebraucht, als der lange so haltlose VfB Stuttgart. Trainer Jürgen Kramny hat als Nachfolger des völlig glücklosen Alexander Zorniger diesbezüglich einen guten Job gemacht.
Und der 27 Jahre alte Großkreutz hat ihm dabei geholfen. Auch am Dienstag gegen den BVB? „Ich stand schon dreimal im Pokalfinale. Jetzt wollen wir Dortmund schlagen und ins Halbfinale“, sagt Großkreutz. Erfolg macht mutig. Und es gibt wenig Zweifel, dass Großkreutz genau dann besonders wertvoll ist, wenn er mutig ist und spürt, wie wichtig er für das große Ganze ist. Einer unter vielen zu sein — das hatte schon in Istanbul nicht funktioniert, beim BVB zuletzt für ihn eben auch nicht mehr.
Trotzdem: Dortmund steckt noch in ihm: Er spielt am Dienstag erstmals gegen seinen Herzens-Verein. Zweimal holte der Allrounder mit den Schwarz-Gelben den deutschen Meistertitel, 2012 beim Double auch den DFB-Pokal. „Für Kevin, uns und die Fans wird es ein ganz eigenes Gefühl. Das hat es noch nie gegeben, dass einer von der Südtribüne gegen den BVB spielt“, sagt auch Dortmunds Kapitän Mats Hummels. Großkreutz blendet das aus. „Jetzt spiele ich für den VfB. Da werde ich alles geben, da werde ich alles raushauen“, verspricht er. „Auf dem Platz kenne ich keine Freunde.“ Das gilt auch für seine alten BVB-Kumpels, mit denen immer noch intensiver und inniger Kontakt besteht. „Da wird noch geschrieben“, berichtete der 27-Jährige über regen SMS-Austausch.
Dortmund sei „ein Weltklasseteam. Nicht umsonst sind sie Zweiter“, sagte er, räumte seinem neuen Club aber durchaus Chancen ein. „Man kann einen Favoriten in einem Spiel schlagen.“ Eine Pleite wie bei Jürgen Kramnys Premiere als Bundesligacoach in Dortmund Ende November muss der VfB wohl eher nicht befürchten. 1:4 ging er damals unter, auch wenn er „lange gut mithielt“, wie Großkreutz als damaliger TV-Augenzeuge jetzt befindet. „Stuttgart ist jetzt deutlich stärker. Uns erwartet eine harte und reizvolle Aufgabe“, warnt Hummels. Großkreutz würde das unterschreiben. So selbstbewusst ist er wieder. Endlich.