Hoffenheim riskiert „Jugendstil“, aber nicht Jugendwahn
Sinsheim (dpa) - Mit einem Altersdurchschnitt von nicht einmal 23 Jahren gehen die Kraichgauer in ihr sechstes Bundesliga-Jahr - Risiko und Verheißung zugleich für den Fastabsteiger der vergangenen Saison.
Ob Kevin Volland bei 1899 Hoffenheim jetzt ein junger Hüpfer ist oder ein Routinier, weiß er selbst nicht so genau. „Das ist meine vierte Profisaison. Ein bisschen Erfahrung habe ich schon“, sagte der Junioren-Nationalspieler, der am Dienstag 21 Jahre alt wird. „Aber ich bin immer noch jung“.
„Wir prägen damit einen gewissen Jugendstil, aber keinen Jugendwahn“, erklärte Alexander Rosen, Leiter Profifußball bei der TSG.
Beim 4:1 (2:0)-Sieg gegen den griechischen Serienmeister und Champions-League-Finalisten Olympiakos Piräus in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena setzte Markus Gisdol gleich 20 Spieler ein, darunter acht, die 21 oder jünger sind. Das Ergebnis fiel dem Trainer „viel zu deutlich“ aus. Er weiß, dass er noch ganz viel Arbeit vor sich hat mit seiner unerfahrenen Truppe.
Die beste Nachricht des Tages bei den Hoffenheimern war vielleicht, dass das umworbene Toptalent Volland seinen Vertrag vorzeitig bis 2017 verlängert hat. Wie seine Kollegen hält sich der frühere Profi von 1860 München natürlich an die Vorgaben Gisdols, nicht irgendwelche forschen Saisonziele zu formulieren. Damit hatte die TSG schon bei Ex-Trainer Markus Babbel miserable Erfahrungen gemacht, der vor zwölf Monaten in die Europa League wollte, die Mannschaft dann aber in den Keller führte. „Zu Platzierungen äußere ich mich gar nicht“, sagte Volland. „Aber man hat schon am Ende der letzten Saison gesehen, was alles möglich ist.“ Mutiger wolle man spielen, total schnell umschalten. „Das kostet viel Körner, macht aber Riesenspaß.“
Richtig ernst wird es bereits am Samstag: Da muss sich Hoffenheim im DFB-Pokal bei den Bremer Amateuren der SG Aumund-Vegesack beweisen. Nach der bundesweit belachten Erstrunden-Blamage (0:4) im vergangenen Jahr beim Regionalligisten Berliner AK steht die TSG bereits eine Woche vor dem Erstliga-Start gegen den 1. FC Nürnberg unter verschärfter Beobachtung.
38 Profis stehen Gisdol laut Meldeliste bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) offiziell zur Verfügung, doch in der „Trainingsgruppe 2“ üben nach wie vor die Aussortierten wie Ex-Nationalspieler Tim Wiese, Stürmer Eren Derdiyok und Mittelfeldspieler Tobias Weis für sich. Die Tür, so hatte Gisdol letzte Woche - wohl auch aus juristischen Gründen - erklärt, „ist offen - für alle.“ Am Sonntagabend sagte der 43-Jährige, dass bei dieser Konstellation „aktuell keine Veränderung geplant ist“.
Der frühere Co-Trainer von Schalke 04 zieht seine Linie durch. „Wir stellen nicht nach Jugend auf“, betonte Gisdol zwar. Aber es ist die jüngste Mannschaft der Hoffenheimer Erstliga-Geschichte. Talente wie Jeremy Toljan, Niklas Süle, Stefan Thesker oder Andreas Ludwig haben ihr Können schon angedeutet, aber das Fehlen eines erfahrenen Mannes wie Sejad Salihovic (Knieverletzung) kann sich die TSG kaum leisten.
Auf der Bank sitzen fast nur Neulinge, zudem drohen im Sturmzentrum Probleme. Neuzugang Anthony Modeste kämpft noch um seine Bindung zur Mannschaft, Sven Schipplock trifft - wie gegen die Griechen - eben nur als Joker. Bis Ende August kann sich der Club von Mäzen und Milliardär Dietmar Hopp noch verstärken, aber Gisdol geht im Moment davon aus, „dass wir mit diesem Kader in die neue Saison gehen.“