Schalke-Party ohne Ende - „Versöhnlicher Abschluss“
Berlin (dpa) - Wie ein Matador schwenkte Raúl die spanische Flagge immer wieder über die goldene Trophäe und verwandelte das Berliner Olympiastadion vorübergehend in eine Stierkampfarena.
Wie ein Kind freute sich der Fußball-Weltstar, begleitet vom Jubel der Teamkollegen und den Ovationen der Fans, über den ersten nationalen Pokaltriumph seiner außergewöhnlichen Karriere. „Ich musste nach Deutschland kommen, um zum ersten Mal einen Pokal in den Himmel zu recken“, schwärmte Raúl nach dem 5:0 gegen den überforderten Zweitligisten MSV Duisburg: „Ich bin stolz und glücklich.“
Zuvor waren schon Jefferson Farfán - als dreifacher Torvorbereiter der überragende Mann des 68. Pokalfinales - und Kyriakos Papadopoulos mit dem „Pott“ durchgebrannt. Selbst Manuel Neuer, der um 22.05 Uhr den DFB-Pokal aus den Händen von Bundespräsident Christian Wulff entgegengenommen hatte, konnte dem schnellen Duo auf dem Weg in die Fankurve nicht folgen. Gemeinsam tanzten und hüpften die Spieler, gingen auf die Ehrenrunde und leiteten den Party-Marathon ein.
Die Mannschaft wurde von tausenden Fans in Gelsenkirchen empfangen. In 24 Cabrios fuhren Trainer und Spieler durch die Stadt. Nach Angaben der Polizei jubelten mehr als 20 000 Fans dem Tross zu. „Wir hatten einiges erwartet, aber mit so vielen Menschen hatten wir nicht gerechnet“, sagte Trainer Ralf Rangnick. „Vor heute Abend gehen wir nicht nach Hause“, prophezeite Christoph Metzelder. Allerdings kam es auch zu einem kleineren Zwischenfall, als ein offenbar wütender Fan Torwart Manuel Neuer eine Ohrfeige verpasste.
Auf einem vom Online-Dienst der „Neuen Westfälischen“ veröffentlichten Video im Internet ist zu sehen, wie Neuer langsam durch die Menschenmassen fährt, Hände schüttelt und Autogramme schreibt. Plötzlich erhält er die Ohrfeige. Der Angreifer flüchtete, der Torwart reagierte relativ gelassen und feierte weiter.
Wohlmöglich war die Ohrfeige eine Reaktion auf Neuers als sicher geltenden Wechsel zum Bayern München in diesem Sommer, um den aber weiterhin ein merkwürdiges Verwirrspiel betrieben wird. Vor allem der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies nährte wieder Zweifel an einer schnellen Abwicklung des Transfers: „Ich bin strikt dagegen, dass Manuel geht. Wir würden unseren Führungsspieler verlieren. Mein Grundsatz ist: Die Rechnung ist erst zu Ende, wenn ein Strich drunter ist.“
Joachim Löw gratulierte. „Es freut mich für alle Schalker. Das tut der Seele des Vereins gut“, sagte der Bundestrainer, der fest an den Wechsel des Nationalkeepers nach München glaubt: „Das ist für ihn ein perfekter Abschied. Besser kann man den Verein nicht verlassen als mit einem Titel.“
Mit zwei frühen Toren von Julian Draxler (18. Minute) und Klaas-Jan Huntelaar (22.) zeigten die „Königsblauen“ dem verletzungsgeplagten MSV schnell die Grenzen auf und stellten mit den Toren von Benedikt Höwedes (42.), José Manuel Jurado (55.) und Huntelaar (70.) den eigenen Endspiel-Rekord von 1972 (5:0 gegen Kaiserslautern) fast mühelos ein. Gleichwohl kann der fünfte Cup-Erfolg die miserable Bundesliga-Saison mit Platz 14 nicht vergessen machen.
„Es war ein versöhnlicher Abschluss einer turbulenten Saison. Jetzt werden wir feiern, uns zwei Tage erholen und dann wieder an die Arbeit gehen“, sagte Tönnies. Auch Rangnick, dem die Trophäe erst Stunden nach dem Sieg bei der Party mit rund 500 Gästen im Restaurant Spindler und Klatt in die Hände gedrückt wurde, wirkte kaum euphorisch. Gleichwohl freute er sich über seinen ersten Titel als Trainer, überließ das ausgelassene Feiern aber seinen Profis.
„Das ist ein Traum. In der Kabine hat es ordentlich gerappelt, da haben wir ein paar Lieder gesungen und das eine oder andere Bierchen getrunken“, sagte Neuer, der nun die Entscheidung des Aufsichtsrats über seine Zukunft abwarten muss. Falls dieser das Bayern-Angebot wider Erwarten ablehnt, hätte der 25-Jährige kein Problem damit, den 2012 auslaufenden Vertrag zu erfüllen. „Es gilt abzuwarten, was die Bosse sagen“, sagte Neuer.
Für Rangick war vor allem die Qualifikation für die Europa League von großer Bedeutung. „Mitnehmen können wir neben dem Pokal vor allem die Gewissheit, dass wir auch im nächsten Jahr international spielen“, sagte er. Der Nachfolger von Felix Magath, mit dem Schalke noch in das Finale eingezogen war, wertete seine rund neunwöchige Tätigkeit als Erfolg, weil man mit dem frühzeitigen Klassenerhalt, den beiden Highlights gegen Inter Mailand in der Königsklasse und dem Pokalsieg „alle drei Ziele erreicht“ habe.
„Wir freuen uns unheimlich“, lobte Heldt die Elf, die sich nach zuletzt sechs Pflichtspielpleiten zusammenriss und ihr in den Pokalwettbewerben gezeigtes Potenzial abrief. Heldt: „Nach der Saison mit Höhen und Tiefen hat die Mannschaft nochmal alles gegeben.“ Nun muss er gemeinsam mit Rangnick den über 70 Millionen Euro teuren und zu großen Kader reduzieren, ohne dass er an Qualität verliert. „Jetzt wird erstmal gefeiert, dann können wir uns mit den planerischen Dingen befassen“, meinte Rangnick.