Deutsches Team Achtelfinale gegen Slowakei: Augsburg soll sich nicht wiederholen

Deutschland gegen die Slowakei — da war doch was? Ende Mai unterlag die DFB-Elf den Slowaken im vorletzten Test vor der EM mit 1:3 in Augsburg. Aber das ist vergessen, „es war ein ganz anderes Spiel als das, was jetzt kommt bei einem Turnier“, sagt Manuel Neuer vor dem Achtelfinale am Sonntag.

Der Deutsche Julian Brandt (r) im Zweikampf mit dem Slowaken Milan Skriniar am 29.05.2016 beim Länderspiel Deutschland-Slowakei.

Foto: Andreas Gebert

Lille. „Wir sind eine Mannschaft, die sich auf den Punkt konzentrieren kann. Ich denke, dass wir zu 100 Prozent da sind“, erklärte Neuer, für den es verständlich war, dass die beiden hart erarbeiteten Siege gegen die Ukraine und Nordirland in der Vorrunde keine Hurra-Schreie auslösten. „Auch solche Mannschaften sind keine leichte Aufgabe“, betonte er und warnte vor dem nächsten Gegner. „Zu sagen, dass wir nur gegen die Slowakei spielen, ist falsch. Sie haben es verdient, im Achtelfinale zu sehen.“ Die Teams, die jetzt noch im Turnier seien, seien ernst zu nehmende Gegner.

Abgesehen vom K.-o.-Charakter gibt es noch zwei Unterschiede zum vorausgegangenen Test: Eine Wasserschlacht, wie sie Augsburg in der zweiten Halbzeit nach heftigen Regenfällen erlebte, ist in Lille nicht möglich. Das Stadiondach wird bei Unwetterwarnungen geschlossen, schon zweimal war das bei dieser EM der Fall. Sportlich ist Bundestrainer Joachim Löw vom Dreierketten-Experiment abgerückt und zu vier Abwehrspielern zurückgekehrt. Allerdings ist der Einsatz von Innenverteidiger Jérôme Boateng noch nicht gesichert.

Wie fit ist der Innenverteidiger? Am Freitag konnte Boateng noch nicht am Mannschaftstraining teilnehmen, sondern absolvierte allein eine Lauf- und Radfahreinheit. Aktuell sei nach Auskunft der Ärzte „alles im Plan“, sagte Mannschaftssprecher Jens Grittner. Eine Aussage über Boatengs Mitwirken sei das aber noch nicht. Entscheidend sei das Abschlusstraining am Samstag. Löw tauscht sich zudem mit den Medizinern und Boateng aus. „Das Wichtigste ist, dass er in seinen Körper hineinhorcht. Falscher Ehrgeiz ist ein falscher Ratgeber“, sagte Neuer, traute seinem Münchner Mannschaftskollegen aber eine verlässliche Entscheidung zu: „Er ist Profi genug, um zu wissen, ob er ja oder nein sagt. Wir hoffen alle, dass er spielen kann. Jeder weiß um seine Qualitäten und ist froh, wenn er dabei ist.“ Eine Alternative könnte Shkodran Mustafi sein, der zu EM-Beginn schon Mats Hummels vertreten hatte.

Wie sieht es sonst personell aus? Löw hat wenig Anlass, im Vergleich zum Sieg gegen Nordirland etwas zu ändern. Mario Gomez im Sturm, Joshua Kimmich als rechter Verteidiger — das könnte wieder ein Rezept sein, um die Slowakei in Bedrängnis zu bringen. Vom bereits angedeuteten Vergleich mit Philipp Lahm, der wie er die Nummer 21 trug, wollte Kimmich nichts wissen: „Er ist der beste Außenverteidiger der Welt. Ich habe einmal in der Nationalmannschaft hinten rechts gespielt, er hat das über Jahre auf Top-Niveau bestätigt. Das kann man nicht vergleichen“, sagte der 21-Jährige, der bei der Test-Niederlage gegen die Slowaken sein Debüt im Nationaltrikot gegeben hatte. „Es ist negativ, wenn man so ein Spiel verliert. Das Spiel am Sonntag wollen wir anders gestalten — jetzt, wo es um etwas geht“, sagte Kimmich und erhielt selbst Rückendeckung von Neuer: „Er hat einen tollen Job gemacht gegen Nordirland. Wir wussten, dass wir ihm vertrauen können.“ Kimmichs Offensivqualitäten könnten gegen die Slowaken erneut eher gefragt sein als die solide Defensivarbeit von Benedikt Höwedes.

Der Gegner: Der 24. der Weltrangliste erlebt seine erste EM als eigenständige Nation. Nach Platz zwei in der Qualifikationsgruppe hinter Spanien und vor der Ukraine erreichten die Slowaken in Frankreich nach der Auftaktniederlage gegen Wales mit einem 2:1-Sieg gegen Russland und einem 0:0 gegen England das Achtelfinale als Gruppendritter. „Wir haben ja vor einigen Wochen gegen sie gespielt und 1:3 verloren. Da wissen wir schon, was auf uns zukommt“, sagte Löw vor Kurzem.

Respekt hat Manuel Neuer vor Marek Hamsik: „Jeder kennt die Fernschüsse von ihm. Man braucht sich nur mal ein Video auf Youtube anzusehen. Er hat schon gute und schöne Tore erzielt“, warnte der Torhüter vor Hamsiks Abschlüssen aus der zweiten Reihe, sagte aber auch: „Wir dürfen uns nicht zu sehr auf einen Spieler festlegen.“ Herthas Peter Pekarík hat sich die Nase gebrochen, könnte aber mit einer Maske spielen. Kölns Dušan Švento und der Ex-Nürnberger Robert Mak haben muskuläre Probleme, hoffen aber auf eine Rückkehr. Fraglich sind außerdem Verteidiger Tomas Hubocan (Fersenblessur) und Mittelfeldspieler Miroslav Stoch (krank).

Wie gehen die Slowaken das Duell mit dem Weltmeister an? Gegen England verlegten sich die Slowaken notgedrungen auf die Defensive. „Das ist nicht schön anzuschauen und nicht unser Stil, aber Englands Qualität und ihr Druck waren sehr hoch“, sagte Ján Kozák. Ob sein Team gegen die DFB-Elf wie angekündigt etwas mehr mitspielt, ist zweifelhaft. Zumindest habe die Mannschaft ihr Ziel erreicht und stehe nicht unter Druck, befand der slowakische Trainer, dessen Spieler sich selbstbewusst äußerten: „Das Spiel gegen Deutschland wird nicht unser letztes im Turnier sein“, sagte Kapitän Martin Skrtel. „Bisher haben die Deutschen bei diesem Turnier noch kein Tor kassiert. Jetzt ist es höchste Zeit dafür!“, ließ Ex-Zweitligaprofi Adam Nemec verlauten.

Die Bilanz: Zehn Begegnungen von Deutschland und der Slowakei stehen in der Statistik. Passen zum K.-o.-Charakter: Es gab noch nie ein Unentschieden. Siebenmal gewann Deutschland, dreimal die Slowakei. Das letzte Aufeinandertreffen in Augsburg ging mit 1:3 verloren und die zweite Halbzeit im Augsburger Regen unter. Mario Gomez traf für die DFB-Elf, Hamsik, Juraj Kucka und Michal Duris für die Slowaken.

Die Prognose: Bei allem Selbstbewusstsein, werden die Slowaken erst einmal ihre möglichen Ausfälle kompensieren müssen. Kommen die Deutschen ans Spielen, kann es eine ähnlich einseitige Partie wie gegen Nordirland werden. Allerdings müssen die Chancen besser verwertet werden. Alles andere als das Erreichen des Viertelfinals wäre eine herbe Enttäuschung.