Schweiz und Polen hoffen auf Fußball-Märchen

Saint-Étienne (dpa) - Träumen erlaubt! Die K.o.-Runden-Debütanten aus der Schweiz und aus Polen wittern ihre historische Chance. Aufgrund des günstigen Turniertableaus werden Erinnerungen an die sensationellen EM-Triumphe der Dänen (1992) und Griechen (2004) wach.

„Wenn wir am Samstag das nötige Glück haben, können wir weit kommen. Dann ist fast alles möglich“, sagte der Schweizer Nationalstürmer Haris Seferovic von Eintracht Frankfurt mit Blick auf das Duell beider Teams in Saint-Étienne (15.00 Uhr).

Weil der Sieger auch in den nächsten zwei Runden den EM-Topfavoriten wie Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich aus dem Weg gehen würde, wächst der Glaube an ein Fußball-Märchen. „Spazieren wir jetzt in den EM-Final?“, titelte das Schweizer Boulevardblatt „Blick“ in freudiger Erwartung. Vergleiche mit der griechischen Erfolgsstory vor zwölf Jahren hält Polens Co-Trainer Bogdan Zajac jedoch für verfrüht: „Wir werden nicht Griechenland im Jahr 2004 kopieren, weil wir Polen sind. Unser Fokus liegt erstmal auf dem nächsten Spiel. Aber natürlich haben wir unsere Träume.“

In Granit Xhaka und Robert Lewandowski stehen zwei Stars im Blickpunkt, die zuletzt auch in der Bundesliga Akzente setzten. Die Schweizer Passmaschine Xhaka machte in den bisherigen drei EM-Spielen deutlich, warum der FC Arsenal in diesem Sommer üppige 45 Millionen Euro an Borussia Mönchengladbach zahlt. Von allen Mittelfeldspielern bei dieser EM ist bislang lediglich der Deutsche Toni Kroos bei der Pass-Statistik besser.

Das nötigt Polens Starspieler Lewandowski Respekt ab: „Speziell Xhaka macht einen starken Eindruck.“ Der beste Bundesliga-Torschütze aus München, dem in Frankreich noch kein Treffer gelang, sieht die Eidgenossen nicht nur deshalb im Vorteil: „Die Schweizer haben eine Topmannschaft, sie sind der klare Favorit gegen uns.“

Der Schweizer Kapitän Stephan Lichtsteiner sieht in Lewandowski den größten Gefahrenherd. „Er ist einer der besten Stürmer der ganzen Welt, er kann definitiv zu einem Problem werden“, räumte Rechtsverteidiger Lichtsteiner ein. Insgesamt sieht Trainer Vladimir Petkovic beide Teams auf Augenhöhe. „Es kommt letztlich auf die Tagesform an. Wir müssen einfach besser und stärker sein“, sagte er.

Die Statistik spricht bei vier Siegen, fünf Unentschieden und nur einer Niederlage jedoch für die Polen. Der einzige Schweizer Sieg liegt 40 Jahre zurück. Dennoch teilt der einstige Nationalcoach Ottmar Hitzfeld die Einschätzung von Lewandowski: „Polen hat in der Offensive vielleicht etwas mehr Durchschlagskraft, aber die Abwehr und die defensive Organisation der Schweiz sind stärker. Die Chancen auf ein Weiterkommen gegen Polen sehe ich bei 55 Prozent.“

Es ist nur schwer vorstellbar, dass am Samstag im Stade Geoffroy-Guichard mehr Tore als beim 2:2 im letzten Duell vor 19 Monaten in Breslau fallen. Die im bisherigen Turnierverlauf noch ungeschlagenen Teams mussten in der Gruppenphase noch kein Gegentor aus dem Spiel hinnehmen. Bei den Polen stand dreimal die Null. Gegen die Schweizer traf nur der Rumäne Bogdan Stancu per Foulelfmeter. Dank der starken Defensive reichten beiden Teams jeweils zwei eigene Treffer, um erstmals in die K.o.-Runde einer EM einzuziehen.

Es gilt als wahrscheinlich, dass Petkovic der Elf vertraut, die Gastgeber Frankreich im letzten Gruppenspiel ein 0:0 abtrotzte. Sein Team geht ausgeruhter als der Gegner in die Partie. „Ich hoffe, es wird ein Vorteil sein, dass wir zwei Tage mehr Pause hatten“, sagte Abwehrspieler Michael Lang. Der Gegner muss auf den gelb-gesperrten Mittelfeldspieler Bartosz Kapustka verzichten. Zudem ist der Einsatz von Stammkeeper Woijciech Szczesny fraglich, der sich im ersten Gruppenspiel gegen Nordirland eine Oberschenkelverletzung zugezogen und schon die vergangenen beiden Partien verpasst hatte.