EM-Tagebuch Bonjour - Schlafzimmer abschließen
„Wer originelle Einfälle haben will, muss gut schlafen“, stand über meinem Hotelbett am Flughafen in Paris Orly. Pablo Picasso hat das gesagt. Offensichtlich hatte der da nie übernachtet. Es war bisher mein einziger Hotel-Auftritt bei meiner Tour de France.
Und der soll es auch bleiben, denn die privaten Buchungsportalen bieten weitaus preisgünstigere Betten an und sind gerne auch für Überraschungen gut.
Zugegeben, nur Freude war das nicht unbedingt, als ich in meine erste Wohnung in Lille kam. Gebucht über das Portal das mit A anfängt und zweimal B endet. Immer äußerst preisgünstig und korrekt. Also, Nadine, meine Gastgeberin hatte wenig Zeit, übergab mir Wohnungsschlüssel samt Bärchen-Maskottchen, zeigte mir kurz ihre Wohnung und verschwand mit dem Hinweis, dass sie noch nicht wisse, ob sie in der Nacht zurückkomme. Das musste zu dem Zeitpunkt nicht als Drohung verstanden werden.
Dass eine mitteljunge Dame im Schlafzimmer ein Selbstporträt zur Schau stellt, ist ja an sich noch nichts Ungewöhnliches. Wer so einen Busen hat, der kann ihn auch zeigen. Gut, auch die lebensgroße Puppe im Zimmer nebenan war ja an sich interessant, mit roter Lederbekleidung und Gummimaske über dem Kopf. Nadine ist Designerin, hatte sie gesagt. Vielleicht hat sie die Maskerade ja entworfen? Aber die Bildbände über Sado-Maso-Praktiken im Regal wirkten dann schon etwas seltsam. Ich mache es kurz: Ich habe mein Schlafzimmer nach reiflicher Überlegung abgeschlossen.
Vier Tage später in Paris musste ich nicht lange überlegen. Mein Gastgeber, nennen wir ihn Namara, kam ursprünglich aus dem Senegal, was ja keineswegs beunruhigend ist. Gut, der Wohnblock mit seinen 26 Stockwerken hatte schon bessere Zeiten gesehen, die Gestalten davor auch. Namara war verabredungsgemäß zu Hause. In einem Appartement, das moderner nicht hätte sein können. Schwarzer Marmor, ein TV-Monstrum an der Wand, eine Designer-Küche und mein Schlafzimmer mit tausend zu dimmenden Lämpchen garniert, eine Video-Wand und das Bett ganz in rotem Leder. Wow.
Namara empfing mich im dunkel-blauen Armani-Bademantel. Mittags um 16 Uhr. Angeblich ist er bei der Metro beschäftigt. Schichtarbeiter tragen bestimmt dunkel-blaue Bademäntel. Und Pariser Ladys haben offenbar am Nachmittag Zeit. Mein Schlafzimmer habe ich abgeschlossen, ohne Überlegung. In Bordeaux erwartet mich heute ein Appartement mitten in der Stadt. Meine Ankunftszeit ist egal, schreibt meine Gastgeberin, sie sei ohnehin zu Hause. „Ich freue mich auf Dich“, schreibt Delfine. Ist bestimmt nur eine Höflichkeits-Floskel.